Charlston Girl
eines Tages!« Doch dann, als mir die Realität bewusst wird, mache ich den Mund wieder zu und bin ein bisschen traurig. Für sie gibt es kein »eines Tages« mehr, oder?
Inzwischen schnurrt der Wagen die Auffahrt entlang, und ich blicke aus dem Fenster, staunend wie ein kleines Kind. Ich war in meinem Leben erst ein paar Mal in Onkel Bills Villa und vergesse immer, wie eindrucksvoll und einschüchternd sie ist - ein georgianischer Kuppelbau mit mindestens fünfzehn Schlafzimmern und einem Untergeschoss mit zwei Schwimmbädern. Zwei.
Ich lasse mich nicht verunsichern, sage ich mir. Es ist nur ein Haus. Er ist nur ein Mensch.
Aber, oh mein Gott! Alles ist so pompös. Grünflächen, so weit das Auge reicht. Brunnen plätschern, Gärtner stutzen Hecken, und als wir uns dem Eingang nähern, kommt ein hochgewachsener Mann im schwarzen Anzug mit diskretem Headset die weißen Stufen herab, um mich zu begrüßen.
»Lara.« Er nimmt meine Hand, als wären wir alte Freunde. »Ich bin Damian. Ich arbeite für Bill. Er freut sich, Sie zu sehen. Ich begleite Sie hinüber zum Bürotrakt.« Als wir über den Kies knirschen, fügt er beiläufig hinzu: »Was genau möchten Sie mit Bill besprechen? Das konnte mir keiner so richtig sagen.«
»Es ist... äh... privat. Tut mir leid.«
»Kein Problem.« Er lächelt mich an. »Gut. Wir sind unterwegs, Sarah«, sagt er in sein Headset.
Das Nebengebäude ist so eindrucksvoll wie das Haupthaus, nur stilistisch anders, alles aus Glas, mit moderner Kunst und einem künstlichen Wasserfall aus Edelstahl. Präzise wie von einem Uhrwerk gesteuert, kommt eine junge Frau heraus, um uns zu begrüßen, auch sie in makellosem Schwarz.
»Hi, Lara. Willkommen. Ich bin Sarah.«
»Hier verlasse ich Sie, Lara.« Damian fletscht die Zähne, dann knirscht er über den Kiesweg zurück.
»Es ist mir eine Ehre, Bills Nichte kennenzulernen!«, sagt Sarah, als sie mich ins Gebäude führt.
»Oh. Tja... äh, danke.«
»Ich weiß nicht, ob Damian es erwähnt hat.« Sarah führt mich zu einem Sessel und setzt sich mir gegenüber. »Aber ich dachte, ob Sie mir vielleicht sagen könnten, worüber Sie mit Bill sprechen möchten? Das fragen wir alle Besucher. Nur damit wir ihn vorbereiten können, vielleicht die nötige Recherche einleiten... es macht das Leben für alle leichter.«
»Damian hat mich gefragt. Aber es ist eher privat. Tut mir leid.«
Sarahs freundliches Lächeln wankt keinen Augenblick.
»Wenn Sie mir nur die Richtung andeuten könnten... damit wir eine Vorstellung haben?«
»Ich möchte eigentlich nicht näher darauf eingehen.« Ich spüre, dass ich rot werde. »Tut mir leid. Es geht um eine... Familienangelegenheit.«
»Natürlich! Kein Problem. Entschuldigen Sie mich einen Moment.«
Sie geht in eine Ecke des Empfangsbereichs, und ich sehe, dass sie in ihr Headset spricht. Sadie schwebt für ein, zwei Minuten zu Sarah hinüber, dann erscheint sie wieder neben mir.
Zu meiner Überraschung lacht sie sich halb schlapp.
»Was ist?«, raune ich ihr zu. »Was hat sie gesagt?«
»Sie hat gesagt, sie findet nicht, dass du gewalttätig aussiehst, aber vielleicht sollten sie trotzdem Verstärkung rufen.«
»Was?«, rufe ich unwillkürlich aus, und sofort fährt Sarah herum und hat mich im Blick.
»‘Tschuldigung!« Ich winke ihr fröhlich. »Hab nur... äh... geniest. Was hat sie noch gesagt?«, zische ich, als Sarah sich wieder abwendet.
»Offenbar hegst du einen Groll gegen Bill? Irgendwas wegen eines Jobs, den er dir nicht geben wollte?«
Groll? Job? Sprachlos starre ich sie an, bis der Groschen fällt. Die Beerdigung. Natürlich.
»Bei meiner letzten Begegnung mit Bill habe ich mitten in einer Beerdigung verkündet, dass es einen Mord gab. Bestimmt hat er allen erzählt, dass ich eine Psychopathin bin!«
»Ist das nicht zum Quieken?« Sadie kichert.
»Das ist überhaupt nicht lustig!«, sage ich beleidigt. »Wahrscheinlich denken die alle, ich will ihn ermorden oder irgendwas! Ist dir klar, dass das alles deine Schuld ist?« Eilig reiße ich mich zusammen, als Sarah näher kommt.
»Hi, Lara!« Ihre Stimme klingt hell, aber gepresst. »Also... Es wird jemand von Bills Team bei Ihrem Gespräch anwesend sein. Nur um Notizen zu machen. Ist das okay?«
»Hören Sie, Sarah...« Ich versuche, so vernünftig und entspannt wie möglich zu klingen. »Ich bin nicht verrückt. Und ich hege auch keinen Groll gegen irgendwen. Ich brauche niemanden, der mitschreibt. Ich möchte nur mit meinem
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