Charlston Girl
versprechen.«
»Danke.« Ich seufze etwas mutlos. Wie soll ich diesen Mann auftreiben? »Und es gibt nichts, was Sie mir sonst über ihn erzählen könnten?«, füge ich als letzten Versuch hinzu. »Ist Ihnen vielleicht irgendwas an ihm... aufgefallen?«
»Na ja.« Sie lacht. »Es ist nur komisch, dass Sie Lington heißen.«
»Warum?« Verdutzt starre ich das Telefon an.
»Ginny sagt, Sie sind nicht mit diesem Bill Lington auf den Kaffeebechern verwandt? Diesem Millionär?«
»Äh... wieso fragen Sie?« Plötzlich bin ich hellwach.
»Weil er genauso aussah! Ich hab es damals schon gesagt, zu den anderen Schwestern. Obwohl er Sonnenbrille und Schal trug, konnte man es sehen. Er war Bill Lington wie aus dem Gesicht geschnitten.«
12
Es ergibt keinen Sinn. Überhaupt keinen. Es ist völlig verrückt, ganz egal, wie man es betrachtet.
Ist Charles Reece tatsächlich Onkel Bill? Aber wieso sollte er Sadie besuchen und einen falschen Namen benutzen? Und wieso sollte er es verschweigen?
Und was die Idee angeht, er könnte etwas mit dem Verschwinden ihrer Kette zu tun haben... ich meine, hallo? Er ist Multimillionär. Was sollte er mit einer alten Kette wollen?
Am liebsten würde ich meinen Kopf an die Scheibe schlagen, damit sich alles wieder einsortiert. Doch da ich momentan in einer plüschigen Limousine durch die Stadt chauffiert werde (was Onkel Bill organisiert hat), sollte ich das wohl lieber lassen. So weit zu kommen, war schwierig genug. Ich möchte nichts riskieren.
Noch nie im Leben hatte ich bei Onkel Bill angerufen, und deshalb wusste ich anfangs gar nicht, wie ich Kontakt zu ihm aufnehmen sollte. (Mum und Dad konnte ich nicht fragen, denn sie würden wissen wollen, was ich vorhatte und wieso ich in Sadies Pflegeheim gewesen war und wovon ich eigentlich redete, welche Kette denn?) Also habe ich in der Firmenzentrale von Lingtons angerufen und die Stimme am Apparat davon überzeugt, dass ich es ernst meine. Daraufhin wurde ich zu einem Assistenten durchgestellt und gebeten, einen Termin bei Onkel Bill zu vereinbaren.
Es war, als wollte ich den Präsidenten sprechen. Innerhalb einer Stunde hatten mir sechs verschiedene Assistenten E-Mails geschrieben, einen Termin vereinbart, den Termin verschoben, den Treffpunkt verschoben, einen Wagen organisiert, mich gebeten, meinen Ausweis mitzubringen, mir mitgeteilt, dass ich in meinem Zeitfenster bleiben müsse, mich gefragt, welches Lingtons-Getränk ich in der Limousine am liebsten trinken würde...
Alles für ein zehnminütiges Gespräch.
Der Wagen ist ziemlich rockstarmäßig, das muss ich zugeben. Er hat zwei Sitzreihen, einander gegenüber, und einen Fernseher - und ein gekühlter Erdbeer-Smoothie wartet schon auf mich, ganz wie bestellt. Ich wäre dankbarer, wenn Dad mir nicht erzählt hätte, dass Onkel Bill immer Limousinen schickt, wenn er jemanden sprechen will, damit er die Leute auch wieder wegschicken kann, wenn er genug von ihnen hat.
»William und Michael«, sagt Sadie plötzlich nachdenklich vom Sitz gegenüber. »Den beiden Jungen habe ich in meinem Testament alles hinterlassen.«
»Stimmt.« Ich nicke. »Ja, ich glaube, das stimmt.«
»Nun, ich hoffe, sie waren dankbar. Es muss eine hübsche Summe gewesen sein.«
»Reichlich!«, lüge ich eilig, denn ich erinnere mich, dass ich ein Gespräch zwischen Mum und Dad belauscht habe. Offenbar haben die Kosten für das Pflegeheim alles aufgefressen, aber davon würde Sadie nichts hören wollen. »Und sie waren sehr froh darüber.«
»Das sollten sie auch sein.« Zufrieden lehnt sie sich zurück. Einen Moment später biegt der Wagen von der Straße ab und nähert sich zwei mächtigen Toren. Als der Wagen am Torhaus hält und ein Wachmann heraustritt, späht Sadie an mir vorbei zur Villa hinüber.
»Du meine Güte...« Unsicher sieht sie mich an, als erlaube sich jemand einen Scherz mit ihr. »Das ist aber ein ziemlich großes Haus. Wie um alles in der Welt ist er so reich geworden?«
»Ich hab‘s dir doch erzählt«, flüstere ich und reiche dem Fahrer meinen Ausweis. Er gibt ihn an den Wachmann weiter, und die beiden konferieren, als wäre ich eine Terroristin.
»Du hast gesagt, er besitzt Coffeeshops.« Sadie rümpft die Nase.
»Ja. Tausende. Überall. Er ist weltberühmt.«
Es dauert eine Weile, bis Sadie sagt: »Ich wäre auch gern berühmt gewesen.«
Ein Hauch von Wehmut spricht aus ihrer Stimme, und ich mache schon den Mund auf, um instinktiv zu sagen: »Vielleicht bist du es ja
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