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Charlston Girl

Charlston Girl

Titel: Charlston Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
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plötzlich aufmerksam, dann murmelt sie: »Ich bring sie jetzt rein.«
    Dann stößt sie eine der hohen Türen auf. Sie führt mich durch ein luftiges, gläsernes Büro mit zwei coolen Typen an Computern, von denen einer ein Zwei Kleine Münzen-T-Shirt trägt. Beide blicken auf und lächeln höflich, ohne mit dem Tippen aufzuhören. Wir kommen zu einer weiteren Riesentür und warten. Sarah blickt auf ihre Uhr, und dann - als timte sie es auf die Sekunde genau - klopft sie an und öffnet die Tür.
    Es ist ein endloser, heller Raum mit gewölbter Decke, einer gläsernen Skulptur auf einem Podest und einem in den Boden eingelassenen Sitzbereich. Sechs Männer in Anzügen stehen von ihren Stühlen auf, als beendeten sie eben ein Meeting. Und dort, hinter seinem massiven Schreibtisch, sitzt Onkel Bill und macht im grauen Polohemd und Jeans einen geschmeidigen Eindruck. Er ist noch braungebrannter als bei der Beerdigung, sein Haar schimmert so schwarz wie eh und je, und er hält einen Lingtons-Kaffeebecher in der Hand.
    »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Bill«, sagt einer der Männer aus vollem Herzen. »Wir wissen es wirklich zu schätzen.«
    Onkel Bill antwortet nicht einmal, hebt nur die Hand wie der Papst. Als die Männer im Gänsemarsch hinauspilgern, tauchen wie aus dem Nichts plötzlich drei Mädchen in schwarzen Uniformen auf und haben in dreißig Sekunden alle Kaffeebecher eingesammelt, während Sarah mich zu einem Stuhl führt.
    Sie wird immer nervöser.
    »Ihre Nichte Lara«, raunt sie Onkel Bill ins Ohr. »Sie möchte Sie unter vier Augen sprechen. Damian hat entschieden, ihr fünf Minuten zu geben, aber wir haben keine vorbereitenden Notizen. Ted bleibt in der Nähe.« Sarah spricht immer leiser. »Ich könnte noch mehr Security anfordern...«
    »Danke, Sarah. Wir kommen schon zurecht«, fällt Onkel Bill ihr ins Wort und wendet sich mir zu. »Lara. Nimm Platz!«
    Als ich mich setze, merke ich, dass Sarah sich entfernt und die Tür hinter mir mit leisem Rauschen schließt.
    Es ist still, abgesehen von Onkel Bill, der etwas in sein BlackBerry tippt. Um mir die Zeit zu vertreiben, betrachte ich eine Wand voller Bilder von Onkel Bill mit berühmten Leuten. Madonna. Nelson Mandela. Die versammelte, englische Fußballnationalmannschaft.
    »Also, Lara.« Endlich blickt er auf. »Was kann ich für dich tun?«
    »Ich... äh...« Ich räuspere mich. »Ich war...«
    Ich hatte alle möglichen schmissigen Einleitungen vorbereitet. Doch als ich nun hier sitze, im Allerheiligsten, bringe ich nichts heraus. Ich fühle mich wie gelähmt. Wir sprechen hier immerhin von Bill Lington. Dem mächtigen Jetset-Tycoon, der tausend wichtige Dinge zu tun hat, wie etwa, dem amerikanischen Präsidenten zu erklären, wie er sein Land regieren soll. Wieso sollte er in ein Altenheim gehen und einer alten Dame die Kette klauen? Was habe ich mir nur dabei gedacht?
    »Lara?« Fragend runzelt er die Stirn.
    Oh Gott. Wenn ich es tun will, dann muss ich es jetzt tun. Es ist wie mit dem Sprung vom Drei-Meter-Brett. Nase zuhalten, tief Luft holen und los.
    »Ich war letzte Woche in Tante Sadies Pflegeheim«, sage ich hastig. »Und offenbar war vor ein paar Monaten jemand bei ihr zu Besuch, der genauso aussah wie du und sich Charles Reece nannte, und das kam mir irgendwie komisch vor, und da dachte ich, ich geh mal zu dir und frag dich...«
    Mein Satz verläuft im Sande. Bill sieht mich an, als hätte ich eben einen Hula-Rock hervorgeholt und das Tanzbein geschwungen.
    »Ach, du lieber Gott«, murmelt er. »Lara, behauptest du immer noch, Sadie sei ermordet worden? Geht es darum? Denn ich habe wirklich keine Zeit...« Er greift nach dem Telefon.
    »Nein, das ist noch nicht alles!« Mein Gesicht ist brennend heiß, aber ich zwinge mich durchzuhalten. »Ich glaube nicht wirklich, dass sie ermordet wurde. Ich bin hingegangen, weil... weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, dass niemand Interesse an ihr gezeigt hat. Als sie noch lebte, meine ich. Und da stand dieser Name im Gästebuch, und man sagte mir, der Mann hätte genauso ausgesehen wie du, und da habe ich mich ... gewundert. Du weißt schon. Ich hab mich einfach gewundert.«
    Mir pocht das Herz in den Ohren, als ich fertig bin.
    Langsam legt Onkel Bill den Hörer auf. Er schweigt. Eine Weile sieht er aus, als wäge er seine Worte ab.
    »Nun, anscheinend hatten wir beide instinktiv dieselbe Idee« sagt er schließlich und lehnt sich auf seinem Sessel zurück. »Du hast recht.

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