Charming Charly
anderes übrig?“, fragte sie ironisch. „Also, was willst du mir erzählen? Wie du von einer Frau vergewaltigt wurdest?“
Sie schnaubte. Was sollte dieser Hüne von einem Kerl ihr schon zu erzählen haben? Nichts konnte so schlimm sein wie das, was sie erlitten hatte. Er war ein Mann. Noch dazu ein Krieger, stark und wahrscheinlich auch skrupellos.
„Ich erzähle dir von meiner Kindheit“, begann er.
„O ja!“, sagte sie sarkastisch. „Was ist? Bist du vom Pony gefallen?“ Sie lachte.
Er lächelte, doch es war ein trauriges Lächeln und ihr Lachen erstarb. Er setzte sich ein wenig aufrechter hin und verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust.
„Ich war elf, als es passierte“, erzählte er schließlich. „Ich befand mich mit meinem Vater und meinem Onkel auf Mananao7. Dort befindet sich der Sitz des Hohen Rates der United Galactic Federation. Es waren unruhige Zeiten. Es gab Krieg zwischen vielen Völkern. Eine Gruppe von Rebellen stürmte das Gebäude, in dem die Abgesandten der Federation untergebracht waren. Einige Abgesandte wurden dabei getötet. Mein Vater verwundet. Mein Onkel und ich gerieten in die Hände der Rebellen. Sie verschleppten uns nach Sixtus6, einem Planeten im Schwarzen Quadranten.“
Er pausierte und rieb sich über das Kinn. Charly sah ihn gebannt an. Sie hatte das Gefühl, dass die Story, die er ihr erzählen wollte, mindestens so furchtbar werden würde wie ihre eigene.
„Ich wurde in eine Zelle gesteckt. Allein. Man brachte meinen Onkel woanders unter. Zwei Tage blieb ich ohne Essen und Trinken. Ohne Kontakt. Niemand kam zu mir. Der Trakt, in dem ich gefangen gehalten wurde, war leer. Ich wusste nicht einmal, ob sie mich nicht einfach zum Sterben in die Zelle gesperrt hatten. Es gab nur mich und die Ungewissheit. Doch am dritten Tag kamen sie. Sie brachten mich in einen Raum. Mein Onkel saß dort, festgebunden auf einem Stuhl. Er versuchte, sich zu befreien, als man mich hereinbrachte, doch es war zwecklos. Sie wollten, dass er Dinge verriet, die ihnen von Nutzen waren, doch das hätte das Leben Tausender Unschuldiger bedeutet. Er konnte ihnen diese Informationen unter keinen Umständen geben. Also versuchten sie, ihn zum Reden zu bringen.“ Er schüttelte sich leicht bei dieser Erinnerung und rieb sich erneut über das Kinn.
Charly wagte nicht, darüber nachzudenken, was jetzt kam, doch sie glaubte es zu wissen.
„Sie folterten mich“, fuhr er fort. „Ich versuchte, tapfer zu sein und nicht zu schreien. Ich wusste, wie wichtig es war, dass mein Onkel nichts verriet.“
Er pausierte erneut. Eine drückende Stille lastete im Raum und Charly musste an den Jungen denken, der er gewesen war. Wer konnte so gewissenlos sein, ein Kind zu foltern? Doch natürlich wusste ich, dass auch auf der Erde solche Dinge geschahen. Krieg brachte stets das Schlechteste in den Menschen hervor und es schien überall so zu sein.
Er atmete tief durch, ehe er weitersprach.
„Ich kam an den Punkt, wo tapfer zu sein, allein nicht mehr half. Ich ... ich schrie. Ich flehte und ich schrie. Und mein Onkel ... Er knickte ein. Er konnte es nicht ertragen, dass sie mich folterten. Er erzählte ihnen einiges, doch er wusste nicht alles. Ich wurde zurück in meine Zelle gebracht. Ich war mehr tot als lebendig. Doch man versorgte meine Wunden und brachte mir von da an täglich Essen und Trinken. Ich wusste nicht, was sie mit meinem Onkel gemacht hatten. Ob er noch lebte. Mein ... mein Vater konnte einen Kontakt herstellen, nachdem er sich von seiner Verwundung erholt hatte, und bot einen Austausch an. Sein Leben gegen meine Freiheit. Man brachte mich wieder in den Raum, in dem man mich zuvor gefoltert hatte. Diesmal saß mein Vater dort gefesselt auf dem Stuhl. Er hatte nicht gewusst, dass Krieger der Federation ihm gefolgt waren, um die Rebellen festzunehmen, doch die Rebellen merkten es und machten meinen Vater dafür verantwortlich. Und sie hatten noch einen weiteren Gefangenen. Oder besser gesagt, eine Gefangene. Sie hatten sie aus unserem Haus entführt, kurz nachdem mein Vater aufgebrochen war, um sein Leben gegen meines zu tauschen.“
Charly sah ihn an. Eine Träne rann über seine Wange und sie hätte gern die Hand nach ihm ausgestreckt, wenn sie nicht gefesselt gewesen wäre.
„Deine Mutter?“, fragte sie mit klopfendem Herzen.
Er nickte und legte den Kopf zurück gegen das Bettende, vor dem er saß. Mit geschlossenen Augen berichtete er weiter, was damals geschehen
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