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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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heutigen Tages. Aber ich bin außerdem fast am Verhungern. Hier gibt es sicher irgendwo etwas zu essen – und wenn wir Glück haben, ist es nicht einmal giftig.«
    Wir drängten uns durch die Menge. Bevor wir ein Dutzend Schritte gemacht hatten, waren wir schon von Kindern und mürrischen Bettlern umringt, die sich Hoffnung auf ein Almosen machten.
    »Steht auf meiner Stirn etwa in riesigen Neonlettern ›Reicher Dummkopf‹ geschrieben?«, fragte Quirrenbach.
    »Es liegt an der Kleidung«, sagte ich und stieß das nächste Balg zurück, das sich an mich herangemacht hatte und an mir herumfingerte. »Mir ist sofort aufgefallen, dass Sie Sachen von den Eisbettlern tragen, und ich hatte nicht einmal sonderlich auf Sie geachtet.«
    »Und warum hat das eine solche Wirkung?«
    »Es signalisiert, dass wir Fremde sind«, sagte ich. »Von außerhalb des Systems. Wer liefe sonst in Eisbettlerkleidung herum? Und das gewährleistet automatisch einen gewissen Wohlstand oder ist zumindest ein Hinweis darauf.«
    Quirrenbach umklammerte seine Tasche noch ängstlicher als bisher. Wir schoben uns weiter, bis wir einen Stand fanden, der genießbar aussehende Speisen verkaufte. Im Hospiz Idlewild hatte man meine Darmflora auf Yellowstone-Verhältnisse eingestellt, aber die Behandlung war relativ breit angelegt, und es gab keine Garantie, dass sie auch gegen spezifische Erreger wirkte. Jetzt konnte ich testen, wie unspezifisch sie tatsächlich war.
    Wir kauften heiße, fettige Pasteten, die mit einer unbestimmbaren, halbgaren Fleischmasse gefüllt waren. Das Fleisch war stark gewürzt, wahrscheinlich, um den ranzigen Geschmack zu übertönen. Aber ich hatte auf Sky’s Edge schon unappetitlichere Dinge gegessen, die mir mehr oder weniger gut geschmeckt hatten. Quirrenbach schlang seine Pastete hastig hinunter, kaufte eine zweite und vertilgte auch die ganz ohne Bedenken.
    »He, ihr«, sagte eine Stimme. »Implantate raus?«
    Ein Junge hatte Quirrenbach am Saum seiner Eisbettlerjacke gepackt und zerrte ihn tiefer in den Basar hinein. Seine Kleidung war im Moment noch an der Grenze zur Verwahrlosung, würde ihm aber in ein bis zwei Wochen in Fetzen vom Leibe hängen.
    »Implantate raus«, wiederholte der Junge. »Ihr hier neu, Implantate hier nicht gut, Misters. Madame Dominika holen alles raus, guter Preis, schnell, wenig Blut, wenig Schmerzen. Du auch, Großer.«
    Der Junge hatte die Hand unter meinen Gürtel gesteckt und zerrte auch an mir.
    »Das ist… hm… nicht nötig«, sagte Quirrenbach. Ein aussichtsloser Versuch.
    »Ihr neu hier, Eisbettleranzug, Implantate müssen raus, knallen sonst durch. Wisst ihr, was das heißt, Misters? Lauter Schrei, Kopf zerplatzt, Gehirn spritzt, Kleider versaut… ihr das bestimmt nicht wollen.«
    »Nein, vielen Dank.«
    Ein zweiter Junge war aufgetaucht und zog an Quirrenbachs anderem Ärmel. »He, Mister, du nicht auf Tom hören – du gehen besser zu Doktor Jackal! Der bringt nur jeden zwanzigsten um! Niedrigste Sterblichkeitsrate im ganzen Grand Central! Nicht durchknallen – zu Jackal gehen.«
    »Ja, mit Hirnschaden als Zugabe«, sagte Dominikas Junge. »Nicht auf ihn hören; Dominika ist die Beste in Chasm City! Jeder wissen das!«
    »Warum zögern Sie noch?«, fragte ich Quirrenbach. »Das war es doch, was Sie gesucht hatten?«
    »Schon!«, zischte er. »Aber doch nicht so! Nicht in irgendeiner dreckigen Bude, verdammt! Ich dachte an eine halbwegs sterile und gut ausgerüstete Klinik. Ich weiß definitiv, dass es bessere Möglichkeiten gibt, Tanner, vertrauen Sie mir…«
    Ich zuckte die Achseln und ließ mich von Tom weiterziehen. »Vielleicht ist so eine Bude das Beste, was wir kriegen können, Quirrenbach.«
    »Nein! Das kann nicht sein. Es muss doch…« Er flehte mich mit einem stummen Blick an, die Sache in die Hand zu nehmen und ihm aus der Patsche zu helfen, aber ich nickte nur lächelnd zu dem Zelt hin: ein blau-weißer Kasten mit leicht gewölbtem Dach, die Spannleinen mit eisernen Heringen im Boden verankert.
    »Hinein mit Ihnen«, sagte ich und ließ ihm den Vortritt. Wir betraten ein Vorzelt. Dort waren wir mit dem Jungen allein. Jetzt sah ich erst, dass Tom so hübsch war wie ein Elfenkind; das Geschlecht war unter den zerlumpten Kleidern nicht zu erkennen, das Gesichtchen wurde von dichtem, strähnigem, schwarzem Haar umrahmt. Der Name mochte eine Kurzform von Thomas oder von Thomasina sein, aber ich tippte auf Ersteres. Aus einem Malachitkästchen, das mit einigen Duftkerzen

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