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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sich vor und ohrfeigte den krampfenden Jüngling so kräftig, dass ihm der Cyber-Helm vom Kopf flog. Sabbernd und immer noch von Zuckungen geschüttelt, sank der Junge auf seinen Stuhl zurück und starrte mit glasigen Augen ins Leere.
    »Er hätte wahrscheinlich nicht irgendwo einsteigen sollen«, sagte ich. »Ich schätze, er ist in ein NK-Verhör geraten. Hat man Ihnen schon mal die Finger einzeln abgezwickt?«
    Der Monokelmann lachte leise in sich hinein. »Böse. Sehr böse. Aber für den Dreck gibt es einen Markt – genau wie für das schwarze Zeug.«
    Das war eine gute Gelegenheit, um herauszufinden, was es mit Vadims Ware auf sich hatte. Ich reichte dem Hehler eins von den schwarzen Empirika mit dem kleinen silbernen Madenmotiv. »Dachten Sie an so etwas?«
    Er sah mich zunächst skeptisch an, bis er das Empirikum genauer untersucht hatte. Für ein geschultes Auge gab es vermutlich alle möglichen latenten Merkmale, um ein Original von minderwertigen Fälschungen zu unterscheiden.
    »Wenn es überhaupt Schwarzmarktware ist, dann ist sie von guter Qualität, und das heißt, das Ding ist immerhin etwas wert, egal was drauf ist. He, Scheiße-im-Hirn. Probier das mal.« Er bückte sich, hob den ramponierten Cyber-Helm auf und rammte ihn dem Jungen auf den Kopf. Dann schickte er sich an, das Empirikum einzustecken, Der Junge wurde gerade wieder etwas munterer, doch als er den schwarzen Stab sah, begann er wild in der Luft herumzufuchteln, um den Hehler davon abzuhalten, ihn in die Buchse zu drücken.
    »Lass mich bloß in Ruhe mit diesen Dreckswürmern…«
    »He, Arschgesicht«, sagte der Mann. »Ich wollte dir doch nur ‘ne kleine Kostprobe geben.« Er steckte das Empirikum in seinen Mantel.
    »Warum probieren Sie es denn nicht selbst aus?«, fragte ich.
    »Aus dem gleichen Grund, warum er den verdammten Dreck nicht an sich ranlässt. Es ist nicht schön.«
    »Das ist ein NK-Verhör auch nicht.«
    »Aber verglichen damit ein Zuckerlecken. Das hier…« – er klopfte sich vorsichtig auf die Brusttasche – »… tut nur weh. Was dagegen hier drauf ist, könnte neun Millionen Mal unerfreulicher sein.«
    »Sie meinen, es ist nicht immer das gleiche?«
    »Natürlich nicht, wo wäre sonst das Risiko? Und so, wie diese Dinger gemacht sind, ist es nie zwei Mal genau der gleiche Trip. Manchmal geht’s nur um Würmer, manchmal ist man selbst der Wurm… manchmal ist es noch viel, viel schlimmer…« Sein Gesicht hellte sich auf. »Aber das Zeug ist gefragt, also worüber rege ich mich auf?«
    »Warum will irgendjemand so etwas erleben?«, fragte ich.
    Er grinste den Jungen an. »He, machen wir jetzt in Philosophie? Woher soll ich das wissen? Wir reden hier über die menschliche Natur; und die ist zutiefst beschissen und pervers.«
    »Erzählen Sie mir mehr«, sagte ich.
 
    Im Zentrum der Halle erhob sich wie ein Minarett ein reich verschnörkelter Turm mit einer vierseitigen, auf Chasm City-Zeit eingestellten Turmuhr. Als sie vor kurzem die siebzehnte Stunde des sechsundzwanzigstündigen Yellowstone-Tages geschlagen hatte, waren unter dem Zifferblatt kleine Figürchen in Raumanzügen erschienen und hatten irgendein undurchschaubares, vielleicht pseudo-religiöses Ritual zelebriert. Ich verglich die Zeit mit der auf Vadims Uhr – auf meiner Uhr, ermahnte ich mich streng, schließlich hatte ich sie jetzt schon zum zweiten Mal geklaut – und stellte fest, dass die beiden halbwegs übereinstimmten. Wenn Dominika richtig geschätzt hatte, müsste sie noch mit Quirrenbach beschäftigt sein.
    Die Hermetiker und die Leute mit den auffälligsten Attributen des Reichtums hatten den Markt inzwischen verlassen, aber ich sah immer noch genügend Menschen mit dem leicht benommenen Gesichtsausdruck der frisch Verarmten. Vielleicht war ihr Wohlstand vor sieben Jahren nur bescheiden gewesen, oder sie hatten nicht die richtigen Beziehungen gehabt, um sich gegen die Seuche abzuschirmen. Dass es in Chasm City damals echte Armut gegeben haben sollte, hielt ich für unwahrscheinlich, aber Reichtum trat immer in verschiedenen Stufen auf. Trotz der Hitze trugen die Menschen schwere dunkle Kleidung, und viele waren mit Schmuck überladen. Die Frauen hatten oft Handschuhe an und schwitzten unter breitkrempigen Fedora-Hüten, Tschadors oder Gesichtsschleiern. Die Männer trugen dicke Wintermäntel mit hochgestelltem Kragen, ihre Gesichter lagen im Schatten von Panama-Hüten oder formlosen Baretten. Viele hatten sich kleine Glasbehälter mit

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