Chasm City
einer Seite nach unten hing. Über uns steckte die Gashülle, eine schwarze Masse, zwischen den Ästen des Baldachins fest wie ein Ballon. Als die Seuche zuschlug, war das Schiff wohl nicht mehr rechtzeitig weggekommen und von den Ästen eingeschlossen worden. Die Hülle war so dicht, dass sie selbst sieben Jahre nach der Seuche noch voll aufgeblasen war. Aber die Gebäudeäste drückten und schoben von allen Seiten, und ich fragte mich unwillkürlich, wie stark das Material tatsächlich war – und was wohl aus der Gondel würde, wenn es ein Loch bekäme.
»Das muss ja wirklich schnell gegangen sein«, sagte ich. Im Geiste sah ich förmlich vor mir, wie sich das Luftschiff aus dem Einflussbereich des sich verformenden Gebäudes zu bringen suchte.
»So schnell nun auch wieder nicht«, sagte Waverly, als hätte ich eine unglaublich dumme Bemerkung gemacht. »Das war ein Luftschiff für Rundflüge – die gab es früher zu Dutzenden. Als das Unglück passierte, ging das Interesse an Rundflügen sehr zurück. Das Luftschiff blieb hier vertäut, und das Gebäude wuchs darum herum, aber es dauerte doch einen ganzen Tag, bis die Äste es völlig umfangen hatten.«
»Und jetzt wohnen Sie hier?«
»Eigentlich nicht. Man ist hier nämlich nicht völlig sicher. Deshalb brauchen wir uns auch nicht allzu viele Sorgen zu machen, ob sich jemand allzu eingehend für uns interessiert.«
Hinter ihm wurde abermals die Tür geöffnet, und die Frau trat heraus. »Zugegeben, ein sehr ungewöhnlicher Ort, um Sie aufzuwecken.« Sie stellte sich neben Waverly an das Geländer und beugte sich unerschrocken über den Rand. Der Boden war leicht einen Kilometer entfernt. »Aber er hat seine Vorzüge, unter anderem ist er diskret. Also, Mister Mirabel. Ich nehme an, Sie hätten jetzt gegen eine gute Mahlzeit in angenehmer Gesellschaft nichts einzuwenden – habe ich Recht?«
Ich nickte, in der Hoffnung, diese Leute könnten mir, wenn ich bei ihnen bliebe, vielleicht behilflich sein, Zugang zum eigentlichen Baldachin zu bekommen. So weit war meine Einwilligung mit Vernunft zu rechtfertigen. Davon abgesehen war ich einfach erleichtert und dankbar, und außerdem war ich tatsächlich so müde und so hungrig, wie sich die Frau das wohl vorstellte.
»Ich möchte mich nicht aufdrängen.«
»Unsinn. Ich habe Ihnen im Mulch sehr Unrecht getan, und Waverly hat mit seinem tollpatschigen Betäubungsschuss alles nur noch schlimmer gemacht – nicht wahr, Waverly? Gut, reden wir nicht mehr davon. Aber Sie müssen uns erlauben, Sie zum Essen einzuladen und Ihnen eine Schlafgelegenheit zu besorgen.« Die Frau zog ein schwarzes Ding aus ihrer Tauche, klappte es auf und zog eine Antenne heraus, dann sprach sie hinein: »Liebling? Wir sind jetzt so weit. Wir treffen uns am oberen Ende der Gondel.«
Sie klappte das Telefon wieder zu und steckte es in die Tasche zurück.
Wir gingen außen um die Gondel herum und hielten uns am Geländer fest, um nicht abzurutschen. Am höchsten Punkt war es aufgeschnitten, und zwischen mir und dem Boden war nichts als Luft. Verwirrt, wie ich war, hätten Waverly und Sybilline – falls sie so hieß – mich ohne weiteres hinunterstoßen können, wenn sie gewollt hätten. Allerdings hätten sie dazu auch reichlich Gelegenheit gehabt, bevor ich aufwachte.
»Da kommt er«, sagte Waverly und deutete unter der Gashülle hindurch. Dort war eine Seilbahngondel erschienen. Für mich sah sie genauso aus wie die, in der ich Sybilline zum ersten Mal gesehen hatte, aber noch wollte ich mich nicht zum Fachmann aufspielen. Die Gondelarme griffen in Kabel, die um die Gashülle gewickelt waren, und deformierten das Luftschiff damit ganz kräftig, stießen aber immerhin kein Loch hinein. Die Kabine kam näher, die Tür ging auf, eine Rampe wurde ausgefahren und setzte auf dem Boden der Luftschiffgondel auf.
»Nach Ihnen, Tanner«, sagte Sybilline.
Ich überquerte die Brücke. Sie war nicht mehr als einen Meter lang, aber auf beiden Seiten offen, und es kostete mich eine Menge Überwindung, den Schritt zu wagen. Sybilline und Waverly folgten mir ohne Zögern. Wenn man im Baldachin lebte, musste man wohl sämtliche Höhenängste ablegen.
Der hintere Teil der Gondel bot vier Sitzplätze und war zum Fahrer hin durch eine Trennwand mit einem Fenster verschlossen. Bevor es zugemacht wurde, erkannte ich im Fahrer den Mann mit den ausgeprägten Backenknochen und den grauen Augen wieder, der zuvor mit Sybilline im Mulch gewesen war.
»Wohin
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