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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Strelnikov gesehen hatte.
    Sybilline zog ihren Kragen beiseite, setzte sich die Waffe an den Hals und injizierte sich mit zusammengebissenen Zähnen einen Kubikzentimeter der dunkelroten Flüssigkeit in die Blutbahn. Dann reichte sie die Waffe ihrem Partner, der setzte sich ebenfalls einen Schuss und gab das verschnörkelte Gerät an Sybilline zurück.
    »Tanner?«, sagte sie. »Möchten Sie auch eine Ladung?«
    »Ich verzichte«, sagte ich.
    »Na schön.« Sie legte die Tasche in das Fach zurück, als wäre es das Alltäglichste der Welt.
    Wir stiegen aus und gingen über das Landedeck zu einer abfallenden Rampe, die in eine hell erleuchtete Markthalle führte. Hier ging es lange nicht so schäbig zu wie in den Teilen der Stadt, die ich bisher gesehen hatte: die Halle war sauber, kühl und dicht bevölkert mit sichtlich wohlhabenden Menschen, Palankinen, Servomaten und biotechnisch veränderten Tieren. Aus den Wänden, die Szenen aus der Zeit vor der Seuche zeigten, drang Musik. Ein auffallend dünner Roboter kam, alles überragend, auf messerscharfen Beinen die Durchgangsstraße herunter. Er bestand ausschließlich aus scharfen, glänzenden Metallklingen und sah aus, als wäre er aus einer Kollektion von Zaubererschwertern gefertigt.
    »Das ist einer von Sequards Automaten«, sagte der Mann mit den eisengrauen Augen. »Der Mann arbeitete früher im Glitzerband und war einer der Anführer der Gluonistenbewegung. Heute stellt er diese Gebilde her. Sie sind sehr gefährlich, also nehmt euch in Acht.«
    Wir umgingen die Maschine in weitem Bogen, um nicht von den träge mitschwingenden Messerarmen getroffen zu werden. »Ich glaube, ich habe Ihren Namen nicht verstanden«, sagte ich zu dem Mann.
    Er sah mich so erstaunt an, als hätte ich ihn nach seiner Schuhgröße gefragt.
    »Fischetti.«
    Bald mussten wir einem weiteren Automaten ausweichen. Er war dem ersten sehr ähnlich, nur hatten seine Gliedmaßen an mehreren Stellen unübersehbare rote Flecken. Danach führte die Straße über eine Reihe von Zierteichen mit fetten goldenen und silbernen Koi-Karpfen, die dicht unter der Oberfläche schwammen. Ich versuchte mich zu orientieren. Wir waren unweit des Abgrunds gelandet und die ganze Zeit darauf zu gegangen, aber er war viel weiter entfernt, als es zu Anfang ausgesehen hatte.
    Endlich mündete die Straße in einen riesigen Kuppelsaal, in dem an die hundert Tische Platz fanden. Das Lokal war nahezu voll. Um einen der geschmackvoll gedeckten Tische standen sogar mehrere Palankine, wie die Insassen allerdings essen wollten, war mir ein Rätsel. Wir stiegen über mehrere Stufen zu einer Glasfläche im Zentrum des Saales hinab, dann geleitete man uns an einen freien Tisch am anderen Ende, gleich neben einem der großen Fenster in der mitternachtsblauen Kuppel. Von deren Scheitelpunkt hing ein überreich verzierter Kronleuchter herab.
    »Wie gesagt, die beste Aussicht in Chasm City«, bemerkte Sybilline.
    Jetzt sah ich auch, wo wir waren. Das Restaurant befand sich am Ende eines langen Stängels, der fünfzig oder sechzig Meter unterhalb der Oberkante aus einer Seitenwand des Abgrunds ragte. Er musste etwa einen Kilometer lang sein und wirkte so dünn und spröde wie ein Stiel aus mundgeblasenem Glas. Am unteren Ende wurde er von einer kunstvoll durchbrochenen Kristallstrebe gestützt, die den Rest des Gebildes noch zerbrechlicher erscheinen ließ.
    Sybilline reichte mir eine Speisekarte. »Suchen Sie sich aus, was immer Sie wollen, Tanner – oder lassen Sie mich wählen, wenn Sie mit unserer Küche nicht vertraut sind. Ohne eine ordentliche Mahlzeit kommen Sie mir hier nicht weg.«
    Als ich die Preise sah, fragte ich mich, ob meine Augen ohne mein Zutun jede Zahl um ein oder zwei Nullen erweiterten. »Das kann ich mir nicht leisten.«
    »Das verlangt auch niemand. Das Essen ist als Wiedergutmachung gedacht.«
    Ich stellte mir eine Speisenfolge zusammen und ließ sie von Sybilline bestätigen, dann lehnte ich mich zurück und wartete auf das Essen. Natürlich fühlte ich mich fehl am Platz – andererseits hatte ich Hunger, und wenn ich bei diesen Leuten blieb, würde ich sicher einiges mehr über das Leben im Baldachin erfahren. Zum Glück erwartete niemand, dass ich mich an der Unterhaltung beteiligte. Sybilline und Fischetti redeten über gemeinsame Bekannte, gelegentlich entdeckten sie auch jemanden irgendwo im Raum und machten sich diskret darauf aufmerksam. Hin und wieder warf auch Waverly eine Bemerkung ein, aber

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