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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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weiter auszuschmücken, war ihm genug gewesen. Aber Clown hatte Recht: was hatte es für einen Sinn, die raffiniertesten Pläne zu entwerfen, wenn man nicht irgendwann mit dem Bauen anfing?
    Wieder warf er einen Blick auf Balcazar. Der Alte schlief so friedlich, wie Clown gesagt hatte.
    So friedlich.
    Und so völlig wehrlos.

Dreiundzwanzig
    Es hätte schlimmer kommen können.
    Zum Beispiel, wenn ich direkt auf dem Boden aufgeschlagen wäre, ohne zuerst den Mulch zu treffen und durch zwei Ekzemschichten aus Wohnhäusern und Verkaufsständen in Leichtbauweise zu stürzen. Als die Gondel zum Stillstand kam, steckte sie mit der Nase voran im Halbdunkel; ringsum brannten Feuer und flackernde Lampen. Ich hörte laute Stimmen, aber sie klangen nur aufgeregt und zornig, nicht so, als wäre jemand verletzt. Ich wagte zu hoffen, dass ich niemanden unter mir zerquetscht hatte. Nach einigen Sekunden schob ich mich vorsichtig aus dem Sitz und bewegte meine Gliedmaßen. Gebrochen war auf den ersten Blick nichts, aber alles, was ich mir hätte brechen können, war zumindest geprellt. Dann kletterte ich durch die ganze Gondel nach hinten. Die Stimmen kamen näher, und ich hörte aufgeregtes Scharren, als durchwühlten neugierige Kinder die Trümmer, oder als huschten Ratten davon. Ich griff nach der Waffe, vergewisserte mich, dass ich Zebras Geld noch bei mir hatte, und verließ die Gondel über eine wackelige Bambusplattform, die sie mit der Nase glatt durchschlagen hatte.
    »Kann mich jemand hören?«, rief ich zuversichtlich in die Dunkelheit hinein. »Ich bin kein Feind. Ich gehöre nicht zum Baldachin. Meine Kleidung stammt von den Eisbettlern; ich komme von einem anderen Planeten. Ich brauche dringend Ihre Hilfe. Die Leute vom Baldachin wollen mich töten.«
    Ich sagte es in Norte. Das wirkte sicher sehr viel überzeugender, als wenn ich Canasisch gesprochen hätte wie die Aristokratie von Chasm City.
    »Dann legen Sie die Waffe nieder und erklären Sie, wie Sie zu ihr gekommen sind.« Die Stimme gehörte einem Mann, und sein Akzent war anders als bei den Baldachin -Bewohnern, die ich bisher kennen gelernt hatte. Die Worte klangen so verwaschen, als sei mit seinem Gaumen etwas nicht in Ordnung. Er sprach ebenfalls Norte, aber es klang zögerlich, vielleicht auch übergenau, ohne die üblichen Auslassungen, die sich einschleichen, wenn man mit einer Sprache wirklich vertraut ist. »Außerdem«, fuhr er fort, »sind Sie mit einer Seilbahn gekommen. Auch das bedarf einer Erklärung.«
    Jetzt konnte ich den Mann sehen, er stand am Rand der Bambusplattform. Aber es war gar kein Mann.
    Ich stand einem Schwein gegenüber.
 
    Es war klein und hellhäutig und ging mit der gleichen unbeholfenen Selbstverständlichkeit auf den Hinterbeinen, die ich bei den anderen Schweinen beobachtet hatte. Eine Brille, gehalten von Lederriemen, die hinter dem Kopf gebunden wurden, verbarg seine Augen. Es trug einen roten Poncho. In einer huffingrigen Hand hielt es – mit einer Lässigkeit, die verriet, dass es gewohnt war, damit umzugehen, und sich von seiner Schärfe schon lange nicht mehr einschüchtern ließ – ein Hackebeil.
    Ich legte die Waffe nicht aus der Hand; nicht sofort.
    »Mein Name ist Tanner Mirabel«, sagte ich. »Ich bin gestern von Sky’s Edge gekommen und wollte jemanden suchen. Dabei bin ich versehentlich in den falschen Teil des Mulch geraten. Dort wurde ich von einem Mann namens Waverly entführt und gezwungen, am Großen Spiel teilzunehmen.«
    »Und Sie sind mit einer solchen Waffe und einer Seilbahngondel entkommen? Beachtliche Leistung für einen Neuling, Tanner Mirabel!« Das Schwein spie meinen Namen aus wie einen Fluch.
    »Ich trage Eisbettlerkleidung«, sagte ich. »Und Sie werden sicher bemerkt haben, dass ich Norte mit dem Akzent von Sky’s Edge spreche. Ich kann auch ein wenig Canasisch, wenn das für Sie einfacher ist.«
    »Norte ist in Ordnung. Wir Schweine sind nicht so dumm, wie alle gerne glauben möchten.« Der Schweinemann hielt inne. »Und der Akzent hat Ihnen also die Waffe eingebracht? Das muss ja ein toller Akzent sein.«
    »Ich hatte Hilfe«, sagte ich. Ich wollte Zebra schon namentlich erwähnen, doch dann überlegte ich es mir anders. »Nicht alle im Baldachin sind einverstanden mit dem Großen Spiel.«
    »Das ist richtig«, sagte der Schweinemann. »Aber auch die gehören zum Baldachin, und auch die pissen auf uns.«
    »Schon möglich, dass man ihm geholfen hat«, sagte eine andere Stimme, diesmal

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