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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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kalten, von Kometen bedrohten Randzone eines anderen Sonnensystems. Aber der Koch und seine Frau – inzwischen sah ich sie nicht mehr ausschließlich als Schweine – wussten allerdings nicht genau, wie ihre Vorfahren einst dort gelandet waren. Das verlor sich im Reich der Theorien und der Mythen. Am einleuchtendsten klang die Vermutung, dass ihre Stammväter Abkömmlinge eines gentechnischen Projekts waren, die man Jahrhunderte später ausgewildert hatte. Früher einmal hatte die Transplantationschirurgie den Menschen Schweineorgane eingepflanzt – die Ähnlichkeiten zwischen beiden Spezies überwogen die Unterschiede –, und daher war es nicht ausgeschlossen, dass die Schweine das Ergebnis eines Experiments gewesen waren, bei dem man die tierische DNA mit menschlichen Genen angereichert hatte, um die Organspender noch besser kompatibel zu machen. Vielleicht hatte sich die Sache weiter entwickelt als ursprünglich geplant, und man hatte mit dem Spektrum von Genen versehentlich auch Intelligenz auf die Schweine übertragen. Oder man hatte von vornherein beabsichtigt, eine Dienerrasse ohne die Schattenseiten von Robotern zu erschaffen, und die Schweine waren das Produkt dieses gescheiterten Versuchs gewesen.
    Irgendwann hatte man sie wohl im Weltraum ausgesetzt und ihrem Schicksal überlassen. Vielleicht war es zu aufwändig gewesen, sie systematisch aufzuspüren und zu töten, oder die Schweine waren selbst aus den Labors ausgebrochen und hatten heimlich Kolonien gegründet. Inzwischen, sagte Lorant, gebe es ohnehin mehrere Spezies mit unterschiedlichen Anteilen von Menschen- und Schweine-Genen. Manche Gruppen seien zum Beispiel nicht fähig, verständliche Worte zu bilden, obwohl alle dafür erforderlichen neuralen Mechanismen vorhanden seien. Das erinnerte mich an die Schweine, denen ich begegnet war, bevor ich von Zebra gerettet wurde. Das erste hatte Grunzlaute von sich gegeben, die fast wie Sprechversuche geklungen hatten. Vielleicht war ich mit meiner Vermutung der Wahrheit näher gekommen, als ich dachte.
    »Einigen Ihrer Artgenossen bin ich schon begegnet«, sagte ich. »Erst gestern.«
    »Sie können uns ruhig Schweine nennen. Das stört uns nicht. Schließlich sind wir genau das.«
    »Diese Schweine hatten wohl vor, mich zu töten.«
    Ich erzählte Lorant in groben Zügen, was geschehen war, ohne genauer darauf einzugehen, warum ich unbedingt Zugang zum Baldachin gesucht hatte. Er hörte aufmerksam zu, dann schüttelte er traurig den Kopf.
    »Ich glaube nicht, dass sie es wirklich auf Sie abgesehen hatten, Tanner Mirabel, sondern eher auf die Leute, die hinter Ihnen her waren. Sie müssen erkannt haben, dass Sie gejagt wurden. Wahrscheinlich wollten sie Sie dazu überreden, mit ihnen zu kommen, an einen sicheren Ort.«
    Ich ließ das Geschehen noch einmal an mir vorüberziehen. Völlig überzeugt war ich nicht, aber ich hielt es nicht mehr für ausgeschlossen, dass es wirklich so gewesen sein könnte, wie Lorant sagte.
    »Ich habe auf einen von ihnen geschossen«, sagte ich. »Ich habe ihn nicht getötet, aber sein Bein musste wohl ärztlich versorgt werden.«
    »Sie brauchen sich nicht allzu sehr zu schämen. Diese Schweine waren vermutlich auch keine Engel. Wir haben hier immer wieder Ärger mit Banden von Jugendlichen, die Unruhe stiften und großen Schaden anrichten.«
    Ich betrachtete den Schaden, den ich angerichtet hatte. »Ich war vermutlich das Letzte, was Ihnen noch gefehlt hat.«
    »Ich würde sagen, das lässt sich alles reparieren. Aber jetzt sollten wir Ihnen lieber weiterhelfen, Tanner Mirabel, bevor Sie noch mehr kaputt machen.«
    Ich lächelte. »Das wäre wahrscheinlich das Beste, Lorant.«
    Nachdem Lorant und seine Frau vom Rostgürtel auf den Planeten gekommen waren, waren sie in die Dienste eines Mannes getreten, der wohl zu den wohlhabenderen Persönlichkeiten des Mulch gehörte. Sie hatten einen eigenen Wagen: ein Dreirad mit Methanantrieb und riesigen Ballonreifen. Die Karosserie war aus Plastik, Metall und Bambus zusammengebastelt, das Dach war eine Konstruktion aus Regenplanen und Sonnenschirmen; das Ganze sah so aus, als würde es beim kleinsten Atemzug auseinander fallen.
    »Sie brauchen es gar nicht so abschätzig anzusehen«, protestierte Lorants Frau. »Es fährt immerhin. Und ich finde, Sie haben überhaupt keinen Grund, sich zu beklagen.«
    »Sie haben ja so Recht.«
    Das Vehikel funktionierte tatsächlich, und die Ballonreifen fingen die Unebenheiten der Fahrbahn

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