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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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enttäuscht.« Ob Chanterelle wohl wusste, das ich schon seit einigen Minuten die Hand nicht mehr auf dem Griff meiner Pistole hatte, ja, dass ich in dieser Zeit kaum mehr an die Waffe gedacht hatte? »Finden Sie mich so faszinierend, oder langweilen Sie sich noch mehr, als ich dachte?«
    »Wahrscheinlich etwas von beidem. Aber Sie faszinieren mich tatsächlich, Tanner. Schlimmer noch, Sie sind ein Rätsel, das ich erst zur Hälfte gelöst habe.«
    »Schon zur Hälfte? Sie sollten sich Zeit lassen. Ich bin nicht so unergründlich, wie Sie glauben. Kratzen Sie an der Oberfläche, und Sie werden sich wundern, wie wenig Sie darunter finden. Ich bin nur…«
    Was wollte ich sagen – nur ein Soldat, nur ein Mann, der ein Versprechen einlösen wollte? Ein Narr, der nicht wusste, wann die Zeit zum Aufgeben gekommen war?
    Ich stand auf und zog demonstrativ die Hand aus der Tasche mit der Pistole. »Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen, Chanterelle, das ist alles. Allerdings steckt hinter dem Mann nicht viel mehr, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich hier ein wenig herumführen würden. Aber wenn Sie wollen, können Sie jetzt auch gehen.«
    »Haben Sie Geld, Tanner?«
    »Etwas. Aber für hiesige Verhältnisse sicher keine Reichtümer.«
    »Zeigen Sie mir, was Sie haben.«
    Ich zog den schäbigen Rest, eine Handvoll schmieriger Ferris-Scheine, aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. »Was kriege ich dafür? Wenn ich Glück habe noch eine Tasse Tee?«
    »Ich weiß nicht. Es reicht für eine neue Garderobe, und die könnten Sie sicher gebrauchen, wenn Sie sich hier halbwegs einfügen wollen.«
    »Falle ich denn so aus dem Rahmen?«
    »Sie fallen so sehr aus dem Rahmen, Tanner, dass Sie ernsthaft in Gefahr sind, eine neue Mode zu kreieren. Aber ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass Sie tatsächlich derartige Ambitionen haben.«
    »Nicht unbedingt, nein.«
    »Ich kenne mich im Escher-Turm nicht gut genug aus, um Ihnen die beste Adresse nennen zu können, aber unterwegs sind mir einige Boutiquen aufgefallen, wo man Sie sicher angemessen einkleiden könnte.«
    »Zuerst möchte ich mir dieses Becken ansehen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Oh, was das ist, weiß ich. Das ist Methusalem. Ich hatte ganz vergessen, dass er hier gehalten wird.«
    Der Name war mir nicht fremd, und ich hatte das Gefühl, als sei er mir an diesem Abend schon einmal durch den Kopf gegangen. Aber Chanterelle führte mich bereits weg. »Wir können später wiederkommen, wenn Sie nicht mehr so sehr hervorstechen.«
    Ich hob seufzend die Hände und gab mich geschlagen. »Dann können Sie mir auch gleich den Rest des Escher-Turms zeigen.«
    »Warum nicht? Die Nacht ist ja noch jung.«
    Wir machten uns auf zur nächsten Boutique. Unterwegs rief Chanterelle nacheinander ihre Freunde an, um sich zu vergewissern, dass sie alle wohlbehalten im Baldachin eingetroffen waren, aber sie hinterließ für keinen eine Nachricht und erwähnte sie danach auch nicht wieder. Das war vermutlich die Regel: viele von den Menschen, die ich im Escher-Turm sah, kannten das Große Spiel und verfolgten es vielleicht auch mit lebhaftem Interesse, aber außerhalb der privaten Salons, wo es als anerkannte Sportart gefeiert wurde, bekannte sich niemand dazu.
    In der Boutique empfingen uns zwei glänzend schwarze, zweibeinige Servomaten von einem viel höheren technischen Entwicklungsstand, als ich es bisher in der Stadt erlebt hatte. Sie sonderten unaufhörlich verlogene Komplimente ab, obwohl mir klar war, dass ich aussah wie ein Gorilla, der versehentlich in die Requisitenkammer eines Theaters eingebrochen war. Mit Chanterelles Hilfe entschied ich mich für eine Kombination, für die ich mich nicht zu schämen brauchte, die mich aber auch nicht ruinierte. Hose und Jacke waren von ähnlichem Schnitt wie die Eisbettlerkleider, die ich jetzt erleichtert ablegte, aber der Stoff, ein Gewebe aus blitzenden Gold- und Silberfäden, war verglichen damit geradezu extravagant luxuriös. Ich fand mich sehr auffallend, doch als wir die Boutique verließen – Vadims Mantel hatte ich verwegen über die Schulter geworfen –, streiften mich die Vorübergehenden allenfalls mit einem flüchtigen Blick, während man mich vorher mit unverkennbarem Misstrauen beäugt hatte.
    »Also«, sagte Chanterelle, »verraten Sie mir jetzt, woher Sie kommen?«
    »Was hatten Sie sich denn selbst schon zusammengereimt?«
    »Nun, von hier sind Sie nicht. Nicht von

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