Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
für ihre Taten den Tod verdient. Das war zwar ein Irrtum, aber woher sollte sie das wissen? Aus ihrer Sicht – sie hatte nicht den Einblick, den Waverly mir dankenswerterweise vermittelt hatte – handelte Chanterelle geradezu verdienstvoll. Tat sie dem Mulch nicht sogar einen Gefallen, indem sie die kranken Elemente ausmerzte?
    Es reichte schon, dass ich den Gedanken überhaupt zuließ, auch wenn ich es gerade noch vermied, ihn in meinem Bewusstsein Fuß fassen zu lassen.
    Sky Haussmann wäre sehr stolz auf mich gewesen.
 
    »Machen Sie doch kein so dankbares Gesicht, Tanner.«
    »Warum sind Sie zurückgekommen?«
    Chanterelle stellte zwei Tassen auf den schmiedeeisernen Tisch und ließ sich, geschmeidig wie eine Katze, mir gegenüber auf einem Stuhl nieder. Ich überlegte, ob sie ihr Nervensystem wohl auf diese katzenhaften Bewegungen hatte hintrimmen lassen, oder ob sie nur viel Übung darin hatte. »Wahrscheinlich hatten Sie mich noch nicht zu Tode gelangweilt«, sagte sie. »Ganz im Gegenteil sogar. Sie machen mich neugierig. Und seit wir in der Öffentlichkeit sind, finde ich Sie nicht mehr halb so bedrohlich.«
    Ich trank einen Schluck Tee. Er war fast geschmacklos, das gustative Gegenstück zu einem in blassesten Pastellfarben gehaltenen Aquarell.
    »Das kann nicht alles sein.«
    »Sie haben in Bezug auf meine Freunde Wort gehalten. Ich glaube, Sie hätten sie töten können, aber Sie haben Ihnen stattdessen sogar einen Gefallen getan. Sie haben ihnen gezeigt, was Schmerz wirklich ist – echter Schmerz; nicht die entschärfte Ersatzversion, die einem die Empirika bieten – und jetzt haben sie, wie Sie schon sagten, etwas, womit sie hinterher prahlen können. Es stimmt doch, oder? Sie hätten sie ohne weiteres töten können, ohne auch nur ein Jota an Ihren Plänen ändern zu müssen?«
    »Was bringt Sie auf die Idee, ich könnte Pläne haben?«
    »Die Art, wie Sie Ihre Fragen stellen. Außerdem habe ich den Eindruck, dass Ihnen für Ihr Vorhaben, was immer es auch sein mag, nicht mehr viel Zeit bleibt.«
    »Kann ich noch eine Frage stellen?«
    Chanterelle nickte und nützte die Gelegenheit, um die Katzenmaske abzunehmen. Ihre Augen hatten einen senkrechten Pupillenschlitz wie die einer Löwin, doch davon abgesehen war ihr Gesicht ziemlich menschlich, breit und offen, mit hohen Backenknochen, umrahmt von einer Masse kastanienbrauner Locken, die ihr bis zu den Schultern fielen.
    »Was wollen Sie wissen, Tanner?«
    »Kurz bevor ich auf Ihre Freunde schoss, hat einer von Ihnen eine Bemerkung gemacht. Vielleicht waren Sie es sogar selbst, aber das weiß ich nicht mehr so genau.«
    »Weiter. Worum ging es.«
    »Derjenige sagte, mit meinen Augen habe es etwas Besonderes auf sich.«
    »Das war ich«, gab Chanterelle verlegen zu.
    Ich hatte es mir also nicht eingebildet. »Wie war das? Was hatten Sie gesehen?«
    Jetzt senkte sie die Stimme. Sie schien zu spüren, dass das Gespräch eine merkwürdige Wendung genommen hatte.
    »Sie glühten förmlich von innen heraus, standen wie zwei leuchtende Punkte in ihrem Gesicht«, sprudelte sie hervor. Es klang nervös. »Ich dachte, Sie hätten irgendeine Maske getragen und sie weggeworfen, bevor Sie wieder auftauchten. Aber dem war wohl nicht so?«
    »Nein. Nein, dem war nicht so. Leider.«
    Sie sah mir scharf in die Augen. Die schlitzförmigen Pupillen wurden noch schmaler. »Was immer es war, jetzt ist es verschwunden. Wollen Sie behaupten, Sie wüssten nicht, was es damit auf sich hatte?«
    »Ich schätze«, sagte ich und trank ohne große Begeisterung den Rest des wässrigen Tees, »das wird für immer eines der kleinen Geheimnisse des Lebens bleiben.«
    »Was ist das denn für eine Antwort?«
    »Die beste, die ich Ihnen in diesem Stadium geben kann. Und wenn sich das so anhört, als hätte ich ein wenig Angst vor der Wahrheit, dann ist der Eindruck sicher nicht ganz falsch.« Meine Haut juckte unter dem verschwitzten Eisbettlerpullover. Ich steckte die Hand unter den Mantel und kratzte mir die Brust. »Ich würde das Thema jetzt lieber fallen lassen.«
    »Verzeihen Sie, dass ich davon angefangen habe«, sagte Chanterelle mit beißender Ironie. »Und wie geht es jetzt weiter, Tanner? Sie sagten bereits, Sie hätten nicht damit gerechnet, dass ich zurückkommen würde. Daraus schließe ich, dass ich für Sie nicht unentbehrlich bin, sonst hätten Sie sich besser abgesichert. Heißt das, dass unsere Wege sich trennen?«
    »Das klingt ja fast so, als wären Sie

Weitere Kostenlose Bücher