Chasm City
nicht ausschließen, dass zwei andere Personen mir nach dem Leben trachten. Mein Gedächtnis gibt mir Rätsel auf. Und obendrein hat mich jemand, dem ich mein Vertrauen schenkte, von Anfang an belogen.«
»Ich kann dir nicht folgen«, sagte Zebra, aber ihr Tonfall verriet, dass sie mir durchaus folgen konnte, auch wenn sie mich vielleicht nicht verstand.
»Du bist nicht die, für die du dich ausgibst, Zebra.«
Ein Windstoß riss ihr die Antwort beinahe von den Lippen. »Was?«
»Du arbeitest für Reivich, nicht wahr?«
Sie schüttelte verärgert den Kopf, dann lachte sie, als sei die Anschuldigung grotesk, aber sie übertrieb. Ich war kein sehr fähiger Lügner, aber das galt auch für sie. Wir hätten zusammen eine Selbsthilfegruppe aufbauen können.
»Du bist verrückt, Tanner. Ich hatte von Anfang an den Verdacht, dass du nicht ganz normal bist, aber jetzt ist mir klar: du hast die Grenze weit überschritten.«
»Du hast vom ersten Augenblick an für ihn gearbeitet«, sagte ich. »Schon in der Nacht, in der du mich gerettet hast. Die Sabotagegeschichte war nur Tarnung – nicht schlecht, zugegeben, aber eben doch Tarnung.«
Ich stieg vom Sockel. Plötzlich fühlte ich mich so schwach, als könnte mich die nächste starke Bö über das Geländer stoßen und in den Mulch stürzen. »Vielleicht wurde ich wirklich von Jägern entführt, die ein Opfer für das Große Spiel suchten. Aber du hattest schon vorher ein Auge auf mich geworfen. Ich hatte gedacht, ich hätte Reivichs Beschatter – Quirrenbach – abgeschüttelt, doch es gab offenbar noch jemanden, der mehr Abstand hielt und deshalb nicht so sehr auffiel. Du hattest mich verloren, bis Waverly mir das Jagd-Implantat einsetzte. Danach konntest du mich weiter verfolgen. Wie klingt das bisher?«
»Vollkommen verrückt, Tanner.« Aber sie konnte mich nicht überzeugen.
»Möchtest du wissen, wie ich dir auf die Schliche gekommen bin? Abgesehen von all den vielen Kleinigkeiten, die einfach nicht zusammenpassten?«
»Ich bin gespannt.«
»Du hättest Quirrenbach nicht erwähnen dürfen. Ich habe seinen Namen nie genannt. Das hatte ich bewusst vermieden, weil ich hoffte, du würdest dich verplappern. Und heute ist wohl mein Glückstag.«
»Du bist ein Bastard.« Es klang wie ein Kosename. »Jemand, der uns aus einiger Entfernung beobachtete, hätte uns für ein Liebespärchen halten können. Ein hinterhältiger Bastard, Tanner.«
Ich lächelte. »Du hättest dich immer noch herausreden können. Du hättest nur zu sagen brauchen, Dominika hätte den Namen erwähnt, als du fragtest, mit wem ich bei ihr gewesen sei. Damit hatte ich eigentlich gerechnet, und ich weiß nicht genau, wie ich reagiert hätte. Aber das ist jetzt müßig, nicht wahr? Jetzt wissen wir Bescheid.«
»Nur interessehalber – was waren das für Kleinigkeiten?«
»Berufsehre?«
»Könnte man sagen.«
»Du hast es mir viel zu leicht gemacht, Zebra. Deine Gondel war nicht abgeschaltet, ich brauchte nur einzusteigen. Deine Waffe lag so offen da, dass ich sie nicht übersehen konnte, und daneben lag genügend Geld, um mir weiterzuhelfen. Du wolltest mich ködern, nicht wahr? Du wolltest, dass ich dich bestehle, um Gewissheit zu haben. Danach wusstest du, wer ich war, und dass ich Reivich töten wollte.«
Sie zuckte die Achseln. »Ist das alles?«
»Nicht ganz.« Ich zog Vadims Mantel fester um mich. »Es ist meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass wir gleich bei unserer ersten Begegnung miteinander geschlafen haben, obwohl du mich kaum kanntest. Zu deiner Beruhigung – es war schön.«
»Du solltest mir nicht schmeicheln. Und dir selbst übrigens auch nicht.«
»Dagegen warst du beim zweiten Mal zwar erleichtert, aber nicht unbedingt überglücklich, mich wiederzusehen. Und ich habe keinerlei sexuelles Verlangen gespürt. Wenigstens nicht von dir. Es hat eine Weile gedauert, bis ich dahinter kam, aber jetzt glaube ich zu begreifen. Beim ersten Mal hast du die Intimität gesucht, weil du hofftest, ich würde mir irgendeine verräterische Bemerkung entschlüpfen lassen. Nur deshalb hast du mich in dein Bett geholt.«
»Du bist ein freier Mensch, Tanner. Niemand konnte dich zwingen, darauf einzugehen, oder willst du behaupten, dass dein Schwanz dein ganzes Denken blockiert? Ich hatte auch nicht den Eindruck, als würdest du es bereuen.«
»Davon kann auch nicht die Rede sein. Beim zweiten Mal wäre ich zu müde gewesen, um auf etwaige Annäherungsversuche deinerseits einzugehen
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