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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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immer länger und die Botschaften selbst immer oberflächlicher. Wenn eine Nachricht von zu Hause ankam, erhielt man oft gleichzeitig eine weitere, die genau das Gegenteil besagte; ein Hinweis auf Reibereien zwischen Gruppierungen mit unterschiedlichen Zielen, wobei die sichere Ankunft der Flottille auf Journey’s End nicht bei allen im Mittelpunkt des Interesses stand. Hin und wieder fing man einen Nachrichtenüberblick auf, und die Schiffe der Flottille mussten zu ihrer Bestürzung sogar erfahren, dass es zu Hause Parteien gab, die ihre Existenz rundheraus leugneten. Im Allgemeinen wurden solche Versuche der Geschichtsklitterung nicht ernst genommen, aber es war doch erschreckend zu hören, dass sie überhaupt hatten Fuß fassen können.
    Zu lange her und zu weit weg, dachte Sky. Die Worte gingen ihm wie ein Mantra im Kopf herum. So vieles ließ sich letztlich darauf reduzieren.
    Infolgedessen sahen sich die Schiffe der Flottille zunehmend weniger verpflichtet, anderen Gruppen gegenüber Rechenschaft abzulegen. Und so war es nicht allzu schwer, mit vereinten Kräften die Wahrheit über das Schicksal der Caleuche zu vertuschen.
    Skys Großvater – oder vielmehr Titus Haussmanns Vater – hatte noch genau gewusst, was geschehen war. Er hatte einen Teil der Information an Titus weitergegeben, aber vielleicht nicht alles, möglicherweise hatte Titus’ Vater zum Zeitpunkt seines Todes auch selbst nicht so genau gewusst, was sich wirklich abgespielt hatte. Inzwischen konnten sie nur noch spekulieren. Für Sky gab es zwei plausible Szenarien: Im ersten war es zwischen den Schiffen zu Auseinandersetzungen gekommen, die zu einem Angriff auf die Caleuche eskalierten. Vielleicht war man sogar so weit gegangen, die für die Landschaftsveränderung bestimmten Atomwaffen einzusetzen: Titus hatte zwar erwähnt, das Radarecho des Gespensterschiffes entspreche dem Profil eines Flottillenschiffes, aber das schloss verheerende Schäden nicht aus. Hinterher hatten sich die anderen Schiffe für ihr Verhalten dann so geschämt, dass sie beschlossen, das Ereignis aus den historischen Archiven zu löschen. Eine Generation musste mit der Schande leben, aber schon der nächsten konnte man sie ersparen.
    Die zweite – und für Sky überzeugendere – Idee war weniger dramatisch, aber womöglich noch beschämender. Angenommen, der Caleuche wäre ein Unglück zugestoßen – eine Seuche vielleicht – und die anderen Schiffe hätten sich geweigert, ihr zu helfen? Die Geschichte kannte noch schlimmere Beispiele, und wer hätte es den nicht Betroffenen verdenken können, wenn sie die Ansteckung fürchteten?
    Beschämend vielleicht. Aber durchaus verständlich.
    In diesem Fall müssten auch sie sehr vorsichtig sein. Sky nahm sich vor, jede gegebene Situation für potenziell gefährlich zu halten. Andererseits war der Preis so verlockend, dass er die Risiken akzeptieren konnte. Er dachte an die Antimaterie, die sicher immer noch im Sicherheitsbehälter der Caleuche schlummerte und auf den Tag wartete, an dem sie zum Abbremsen eingesetzt werden sollte. Dieser Tag mochte noch kommen, aber anders, als die Erbauer sich das gedacht hatten.
    Und die anderen Schiffe.
    Wenige Stunden später hatten sie sich von der Flottille weit genug entfernt. Einmal richtete sich ein Radarstrahl von der Brasilia auf sie wie die Hand eines Blinden, der einen ihm fremden Gegenstand betastete. Es war ein spannungsgeladener Moment, und Sky fürchtete schon, er hätte sich dramatisch verschätzt. Doch dann wanderte der Strahl weiter und kehrte nie zurück. Wenn sich die Brasilia überhaupt etwas gedacht hatte, dann hatte sie wohl angenommen, das Radarecho stamme von einem davontreibenden Stück Schrott; einer nicht mehr zu reparierenden und daher nutzlosen Maschine, die man ins Nichts geworfen hatte.
    Danach waren sie allein.
    Es wäre sehr verlockend gewesen, die Triebwerke hochzufahren, aber Sky behielt die Nerven und ließ das Shuttle wie geplant vierundzwanzig Stunden lang antriebslos dahindriften. Von der Santiago kam kein Funkspruch, daraus schloss er, dass ihre Abwesenheit noch kein Aufsehen erregt hatte. Hätten ihm Norquinco und Gomez nicht Gesellschaft geleistet, er wäre jetzt so allein – so fern von allen Menschen – gewesen wie noch nie zuvor in seinem Leben. Den kleinen Jungen, der sich so vor der Dunkelheit gefürchtet hatte, als er in seinem Kinderzimmer eingesperrt war, hätte diese Isolation in Todesängste versetzt. Er hätte sich niemals

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