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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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bestünde darin, dass meine Augen jeden anstrahlen würden, der mir mit einer hellen Lampe ins Gesicht leuchtete.
    Sie bezeichneten das als ›Glanzauge‹.
    Die Vorstellung gefiel mir. Denn bevor jemand mein Glanzauge sah, hätte ich denjenigen längst entdeckt.
    Das Spleißen wirkte natürlich noch tiefer. So waren meine Netzhäute mit genveränderten Stäbchen vollgepackt, deren Photonenempfindlichkeit dank modifizierter Formen der normalen photosensitiven Chromoproteine nahezu optimal war; zu diesem Zweck hatte man einfach einige Gene am X-Chromosom ersetzt. Nun besaß ich ein Gen, das normalerweise nur an Frauen vererbt wurde und es mir erlaubte, Schattierungen der Farbe Rot zu unterscheiden, von denen ich bis dahin nichts geahnt hatte. Kleine Vertiefungen am Rand meiner Kornea enthielten obendrein Zellcluster, die genetisch von Schlangen abgeleitet waren und infrarotund ultraviolettnahes Licht registrieren konnten. Sie hatten neuronale Verbindungen zu meinem Sehzentrum ausgebildet, sodass ich die Information nach Schlangenart verarbeiten und als Overlay über mein normales Sehfeld legen konnte. Die Fähigkeit ließ sich wie alle anderen Modifikationen durch genetisch manipulierte Retroviren aktivieren oder unterdrücken. Die Viren erzeugten kurze, kontrollierte Krebswucherungen, die die erforderlichen Zellstrukturen innerhalb von wenigen Tagen auf- oder auch abbauten. Aber ich musste erst lernen, mit all den neuen Funktionen richtig umzugehen, und das dauerte seine Zeit. Zuerst die verbesserte Nachtsicht und später die Farben jenseits des sichtbaren Spektrums.
    Ich ging zu Tanner hinüber, der hinter einem Vorhang in der anderen Zelthälfte schlief. Unser Schachtisch war noch aufgebaut; die Figuren standen nach wie vor in der Stellung, mit der ich ihn – wie immer – mattgesetzt hatte.
    Tanner kniete – nackt bis auf seine Khaki-Shorts – neben seinem Feldbett, als wollte er sich die Schuhe binden oder seinen Fuß auf Blasen untersuchen.
    »Tanner?«
    Er schaute auf. Eine schwarze Flüssigkeit lief ihm über die Hände. Aus seinem Mund kam ein Wimmern. Dann stellten sich meine Augen scharf, und ich sah, was geschehen war. Unterhalb seines Knöchels war nur noch ein kleiner Rest seines Fußes zu sehen, und der sah weniger aus wie menschliches Fleisch, sondern wie Holzkohle, die bei der leisesten Berührung zu schwarzen Krümeln zerfallen würde.
    Jetzt stieg mir auch der Gestank nach verbranntem Menschenfleisch in die Nase.
    Tanners Wimmern riss so jäh ab, als hätte eine Subroutine in seinem Bewusstsein die Reaktion als nicht unmittelbar überlebensnotwendig eingestuft und den Schmerz abgestellt. Und dann sagte er mit einer geradezu absurden Ruhe und Deutlichkeit:
    »Ich bin verletzt, ziemlich schwer, Sie sehen es ja selbst. Ich glaube kaum, dass ich Ihnen noch viel nützen kann.« Und dann: »Was ist mit Ihren Augen los?«
    Ein Mann trat durch einen Schlitz in der Zeltwand. Die Nachtsichtbrille hing ihm um den Hals, und der Strahl aus der an seinem Gewehr befestigten Taschenlampe wanderte über uns hin und blieb auf meinem Gesicht ruhen. Sein Chamäleo-Anzug veränderte stotternd seine Farbe, um sich dem Zeltinneren anzupassen.
    Ich schoss ihn in den Unterleib.
    »Mit meinen Augen ist gar nichts«, sagte ich, als das Nachbild des Mündungsblitzes in meinem Sichtfeld zu einem daumenförmigen rosa Fleck verblasst war. Ich stieg über die Leiche des Eindringlings hinweg, wobei ich mich sehr in Acht nahm, um nicht mit dem nackten Fuß in die auseinander fließenden Eingeweide zu treten, ging zum Gewehrständer hinüber, griff nach einer riesigen, aber im Moment entbehrlichen Bosonenstrahlwaffe – sie war zu schwer, um sie im Nahkampf einzusetzen – und warf sie auf Tanners Feldbett. »Mit meinen Augen ist alles in Ordnung. Nehmen Sie das Ding als Krücke und tun Sie etwas für Ihr Gehalt. Wenn wir hier wieder rauskommen, besorgen wir Ihnen einen neuen Fuß, es ist also kein unersetzlicher Verlust.«
    Tanner schaute von seinem Fuß zum Gewehr und wieder zurück, als wäge er das eine gegen das andere ab.
 
    Ich trat in Aktion.
    Ich stützte mich mit meinem ganzen Gewicht auf den Schaft des Boser-Gewehrs und versuchte, den Schmerz in den Hintergrund zu drängen. Mein Fuß war verloren, aber Cahuella hatte Recht. Ich konnte ohne ihn leben – der Schuss hatte ihn professionell kauterisiert – und wenn ich den Angriff überlebte, ließe er sich in wenigen, wenn auch nicht sehr angenehmen Wochen ersetzen. Als

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