Chasm City
solcher Präzision schneiden zu können?
Zu Gittas Ehre sei gesagt, dass sie kaum gezuckt hatte.
»Ich habe eine Nachricht für dich«, sagte der Killer und hob das Messer ein wenig an, damit man die scharlachrote Linie deutlich sehen konnte. »Eine Nachricht von Argent Reivich. Das überrascht dich doch nicht, oder? Du hast ihn schließlich erwartet, wenn ich mich nicht irre. Nur nicht ganz so früh.«
»Die Ultras haben uns belogen«, sagte Cahuella.
Jetzt lächelte der Mann Reivichs, aber nur kurz. Lediglich die glitzernden, zu schmalen Schlitzen zusammengekniffenen Augen verrieten seine Erregung. Ich begriff, dass wir es mit einem Psychopathen zu tun hatten, dem so gut wie alles zuzutrauen war.
Mit einer gütlichen Einigung war nicht zu rechnen.
»Sie sind sich untereinander nicht immer einig«, sagte der Mann. »Besonders zwischen verschiedenen Besatzungen gibt es Rivalitäten. Orcagna hat dich belogen. Aber das solltest du nicht persönlich nehmen.« Er fasste das Messer wieder fester. »Würdest du jetzt wohl so freundlich sein und das Gewehr aus der Hand legen, Cahuella?«
»Tun Sie, was er sagt«, flüsterte ich. Ich stand immer noch hinter ihm. »Auch wenn Sie noch so scharfe Augen haben, Gitta gibt ihm volle Deckung bis auf einen winzig kleinen Bereich, und ich glaube nicht, dass Sie sich im Moment auf ihre ruhige Hand verlassen sollten.«
»Hat man dir nicht beigebracht, dass Flüstern unhöflich ist?«, fragte der Killer.
»Los!«, zischte ich. »Noch kann ich sie retten.«
Cahuella ließ das Gewehr fallen.
»Gut!« Ich flüsterte immer noch. »Jetzt hören sie genau zu. Ich kann ihn von hier aus treffen, ohne Gitta zu verletzen. Aber Sie stehen mir im Weg.«
»Du sollst mit mir reden, Scheißkerl.« Der Mann drückte Gitta die Klinge so fest gegen die Kehle, dass eine Vertiefung entstand. Noch floss kein Blut, aber ein kleiner Ruck genügte, und die Halsschlagader wäre durchtrennt.
»Ich muss durch Sie hindurch schießen«, sagte ich zu Cahuella. »Es ist eine Strahlenwaffe, der Schusskanal verläuft also völlig gerade. Ich werde aus einem Winkel schießen, bei dem ich keine lebenswichtigen Organe verletze. Also halten Sie sich bereit.«
Der Mann drückte fester auf das Messer, es durchschnitt die Haut, Blut quoll hervor. Die Zeit schien stillzustehen, ich wartete darauf, dass er anfing, ihr das Messer durch die Kehle zu ziehen.
Cahuella setzte zum Sprechen an.
Ich feuerte.
Der bleistiftdünne Teilchenstrahl fraß sich durch seinen Körper. Er war etwa zwei Zentimeter links von der Wirbelsäule im oberen Lendenbereich, etwa in Höhe des zwanzigsten oder einundzwanzigsten Wirbels eingedrungen. Ich konnte nur hoffen, dass ich die Subklavia nicht getroffen hatte und dass die Energie zwischen dem linken Lungenflügel und dem Magen abfließen konnte. Aber es war kein mikrochirurgischer Eingriff. Cahuella konnte von Glück reden, wenn ihn der Schuss nicht tötete. Ich wusste allerdings auch, dass er das jederzeit in Kauf nähme, wenn dafür Gitta gerettet würde. Er würde mir sogar befehlen, ihn zu töten. Ich achtete ohnehin kaum auf ihn, denn Gittas Position ließ mir nur eine sehr geringe Auswahl an Schussrichtungen. Es ging einfach darum, sie zu retten, was mit ihrem Mann passierte, war egal.
Der Teilchenstrahl war keine Zehntelsekunde aktiv, aber die Ionenspur und das Nachbild auf meiner Netzhaut hielten sich sehr viel länger. Cahuella sank vor mir zusammen wie ein leerer Getreidesack.
Auch Gitta sank zu Boden. Sie hatte ein kleines Loch mitten in der Stirn. Ihre Augen standen offen, als wäre sie bei Bewusstsein. Aus der Halswunde sickerte weiter das Blut.
Ich hatte mein Ziel verfehlt.
Es ging kein Weg daran vorbei; die eine, bittere Erkenntnis war nicht zu entschärfen oder zu versüßen. Ich hatte sie retten wollen, aber die Absicht zählte nicht. Was zählte, war der rote Fleck über ihren Augen, wo ich sie getroffen hatte und nicht den Mann, der ihr das Messer an die Kehle hielt.
Ihm hatte der Strahl kein Haar gekrümmt.
Ich hatte versagt.
Ich war gescheitert. Genau in dem Moment, in dem es darauf ankam; dieses eine Mal in meinem Leben, als ich wirklich geglaubt hatte, ich könnte siegen – war ich gescheitert. Ich hatte mich selbst und Cahuella verraten, hatte sein bedingungsloses Vertrauen enttäuscht, diese schreckliche Last, die er mir auferlegt hatte, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Seine Verwundung war schwer, aber bei entsprechender Behandlung konnte er
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