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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Größe einmal abgesehen, eigentlich nicht interessanter war als die jüngeren, schlankeren, flinkeren Koi-Karpfen in den Teichen. Schlimmer noch, mir fiel auf, dass jeder Zuschauer, wenn er sich abwandte, unglücklicher aussah als zuvor. Der Fisch war nicht nur eine Enttäuschung, er strahlte auch eine Traurigkeit aus, der sich niemand entziehen konnte. Vielleicht hatten die Menschen Angst, in diesem trägen, grauen Ungetüm ihre eigene Zukunft zu sehen.
    Zebra und ich tranken Tee. Niemand beachtete uns.
    »Die Frau, die du kennen gelernt hast – wie hieß sie noch?«
    »Chanterelle Sammartini«, sagte ich.
    »Pransky hat nie erwähnt, was aus ihr geworden ist. Wart ihr noch zusammen, als er dich fand?«
    »Nein«, sagte ich. »Wir hatten uns gestritten.«
    Zebras verständnisloser Blick war bühnenreif. »War das nicht Teil der Abmachung? Ich meine, wenn man jemanden entführt, setzt man doch eigentlich voraus, dass man nicht immer einer Meinung ist?«
    »Ob du es glaubst oder nicht, ich habe sie nicht entführt. Ich habe sie nur gebeten, mich in den Baldachin zu bringen.«
    »Mit vorgehaltener Pistole.«
    »Anders wollte sie der Bitte nicht nachkommen.«
    »Das ist ein Argument. Und so lange ihr hier oben wart, hast du sie die ganze Zeit mit der Waffe bedroht?«
    »Nein«, sagte ich. Das Gespräch nahm eine Wendung, die mir nicht gefiel. »Nein, keineswegs. Wie sich zeigte, war das nicht nötig. Wir stellten fest, dass wir auch so miteinander auskamen.«
    Zebra zog eine Augenbraue hoch. »Du hast dich tatsächlich mit der reichen Göre aus dem Baldachin angefreundet?«
    »Irgendwie schon«, sagte ich. Ich fühlte mich unerklärlich schuldbewusst.
    Auf der anderen Seite des Innenhofes bewegte Methusalem seine Bauchflosse. Die Geste – so schwach und unbewusst sie auch sein mochte – kam so überraschend, dass alle Zuschauer zusammenfuhren, als hätte sich eine Statue geregt. Ich fragte mich, was für ein synaptischer Prozess die Bewegung wohl ausgelöst hatte, ob irgendeine Absicht dahinter steckte oder ob diesem Geschöpf jeder Gedanke fremd war und es sich einfach gelegentlich bewegte wie ein altes Haus, das in allen Fugen ächzte.
    »Hast du mit ihr geschlafen?«, fragte Zebra.
    »Nein«, sagte ich. »Tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber dafür war einfach keine Zeit.«
    »Es ist dir wohl peinlich, darüber zu sprechen?«
    »Ginge es dir anders?« Ich schüttelte verwirrt den Kopf, zum Zeichen, dass meine Beziehung zu Chanterelle in keiner Weise ernst zu nehmen war, aber meine Gedanken wurden davon nicht klarer. »Ich dachte, ich würde sie hassen, weil sie so begeistert am Großen Spiel teilnahm. Aber als wir ins Gespräch kamen, musste ich erkennen, dass es nicht so einfach war. Aus ihrer Sicht hatte es gar nichts Barbarisches.«
    »Eine sehr praktische Einstellung.«
    »Ich meine, sie begriff nicht – oder wollte nicht glauben –, dass die Opfer nicht so waren, wie man es ihr gesagt hatte.«
    »Bis sie dich kennen lernte.«
    Ich nickte nachdrücklich. »Ich glaube, ich habe ihr Stoff zum Nachdenken gegeben.«
    »Du hast uns allen Stoff zum Nachdenken gegeben, Tanner.« Und dann trank Zebra schweigend ihre Tasse leer.
 
    »Sie schon wieder«, sagte der Meistermischer in einem Ton, der weder reine Freude noch reine Enttäuschung verriet, sondern eine hoch veredelte Mischung aus beidem. »Ich dachte, ich hätte Ihnen bei Ihrem letzten Besuch alle Fragen zur Zufriedenheit beantwortet. Doch das war offenbar ein Irrtum.« Sein Blick wanderte unter halbgeschlossenen Lidern zu Zebra, und für einen Moment erschütterte ein Ausdruck des Erstaunens die genetisch verstärkte Gelassenheit seiner Züge. »Madame hat sich, wie ich sehe, seit unserer letzten Begegnung ein grundlegendes Neu-Design gegönnt.«
    Natürlich war ich beim letzten Mal mit Chanterelle hier gewesen, aber ich wollte dem Bastard den Spaß nicht verderben.
    »Sie hatte die Nummer eines guten Blutverschneiders«, sagte ich.
    »Ganz im Gegensatz zu Ihnen«, sagte der Meistermischer und schloss die Tür seines Behandlungszentrums, um weitere Besucher abzuschrecken. »Ich meine natürlich Ihre Augen«, sagte er und ließ sich hinter seiner schwebenden Konsole nieder, während wir beide stehen blieben. »Können wir das Märchen, dass irgendein Blutverschneider dabei die Finger im Spiel hatte, nicht allmählich fallen lassen?«
    »Was redet er da?«, fragte Zebra mit einer gewissen Berechtigung.
    »Wir haben ein kleines Geheimnis«, sagte

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