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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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der anderen Wunde? Mein Arbeitgeber wurde bei der gleichen Gelegenheit verletzt. Er wurde mit einer Strahlenwaffe durch den Körper geschossen, Zebra. Und das war zu sehen.«
    »Jetzt begreife ich gar nichts mehr, Tanner.« Sie sah sich um, ihr Blick blieb kurz an irgendetwas, irgend jemandem hängen, dann kehrte er wieder zu mir zurück. »Willst du mir erzählen, du wärst nicht der, für den du dich hältst?«
    »Sagen wir, ich ziehe die Möglichkeit allen Ernstes in Betracht.« Ich wartete einen Moment, dann sagte ich: »Du hast ihn auch gesehen, nicht wahr?«
    »Was?«
    »Reivich. Ich hatte ihn kurz vorher bemerkt; einen Moment lang dachte ich, es sei eine Halluzination. Aber das war es nicht, oder?«
    Zebra öffnete rasch den Mund zu einem glatten Dementi – aber sie brachte es nicht über die Lippen. Der Lack hatte Sprünge bekommen. »Was ich sagte, ist die Wahrheit«, erklärte sie, als sie die Sprache wiederfand. »Ich arbeite nicht mehr für ihn. Aber du hast Recht. Ich habe ihn gesehen.« Und nach einer Pause fügte sie hinzu: »Es ist allerdings nicht der echte Reivich.«
    Ich nickte; das hatte ich mir selbst schon halb und halb zusammengereimt. »Ein Köder?«
    »So könnte man es nennen.« Sie starrte in ihre Teetasse. »Du weißt, dass er nach seiner Ankunft hier genügend Zeit gehabt hätte, sein Aussehen zu verändern. Tatsächlich wäre das sogar ein Gebot der Vernunft gewesen, und deshalb hat er es auch getan. Der echte Reivich hält sich irgendwo in der Stadt auf, aber du bräuchtest schon eine Gewebeprobe oder müsstest ihn unter den Scanner eines Meistermischers legen, um Gewissheit zu haben. Und selbst dann blieben noch Zweifel. Wenn man genügend Zeit hat, lässt sich nämlich alles verändern. Wenn Reivich genügend investiert hat, verrät ihn womöglich nicht einmal seine DNA.« Zebra hielt inne. Ich sah aus dem Augenwinkel, dass der Mann immer noch am Rand der Menge stand, die sich um den großen Fisch scharte. Oh doch, er war es – oder zumindest eine ausnehmend gute Kopie. Zebra sagte: »Reivich wusste, dass er nicht so leicht zu finden war, aber er wollte dich aufscheuchen. Erst wenn er dich kannte, konnte er irgendwann wieder ruhig schlafen und – wenn er wollte – sein altes Aussehen und seine Identität wieder annehmen.«
    »Und deshalb hat er jemanden überredet, seine Rolle zu spielen.«
    »Dazu war keine Überredung nötig. Der Mann hat sich förmlich danach gedrängt.«
    »Jemand mit einem Todeswunsch?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht mehr als jeder andere Unsterbliche im Baldachin. Ich glaube, er heißt Voronoff, aber sicher bin ich nicht, ich stand Reivich nie so nahe. Du wirst von Voronoff noch nicht gehört haben, aber in Baldachin-Kreisen ist er ziemlich bekannt. Er ist einer der extremsten Jäger; für ihn war das Große Spiel immer zu zahm. Und er ist sehr gut – sonst wäre er nicht mehr am Leben.«
    »Du irrst dich«, sagte ich. »Voronoff ist mir durchaus ein Begriff.«
    Ich erzählte ihr von dem Mann, der den Nebelsprung vorgeführt hatte, als ich mit Sybilline in dem Restaurant am Ende des Stängels war.
    »Das kann ich mir denken«, sagte sie. »Voronoff macht alles, was lebensgefährlich ist, vorausgesetzt, es erfordert auch viel körperliche Geschicklichkeit. Risikosportarten, alles, was ihn ordentlich aufputscht und ihn zwingt, auf dem schmalen Grat zwischen Sterblichkeit und seiner Langlebigkeit zu wandeln. Mit der Jagd würde er sich heute nicht mehr abgeben; sie wäre nur ein Zeitvertreib für ihn, keine echte Herausforderung. Nicht, weil sie unfair ist, sondern weil die Teilnehmer kein persönliches Risiko eingehen.«
    »Mit einer Ausnahme natürlich.«
    »Du weißt schon, was ich meine.«
    Sie verstummte. »Menschen wie Voronoff sind extreme Charaktere«, fuhr sie nach einer Weile fort. »Die üblichen Rezepte gegen die Langeweile wirken bei ihnen einfach nicht mehr. Es ist, als hätten sie eine Toleranz dagegen aufgebaut. Jetzt brauchen sie etwas Stärkeres.«
    »Und da kam es ihm gerade recht, sich selbst zur Zielscheibe zu machen.«
    »Es war ein kontrolliertes Risiko. Voronoff hatte ein ganzes Netz von Spitzeln und Informanten auf deine Spur gesetzt.
    Als du zum ersten Mal glaubtest, ihn gesehen zu haben, hatte er dich längst entdeckt.« Sie schluckte. »Er hatte dafür gesorgt, dass Methusalem zwischen euch war. Das war kein Zufall. Er hatte die Fäden fester in der Hand, als dir jemals bewusst war.«
    »Trotzdem war es ein Fehler. Er hat es

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