Chasm City
Auflösung Sie brauchen.«
»Nicht allzu hoch. Sie sollen nur nach etwas suchen. Gewebeschäden. Innerlich. Verheilte oder auch nicht verheilte Wunden.«
»Ich kann es versuchen«, sagte der Mann und deutete auf die Liege. Von der Decke glitt bereits ein schlittschuhförmiger Scanner herab.
Es ging ziemlich schnell. Um ehrlich zu sein, ich wäre sehr überrascht gewesen, wenn der Scan des Meistermischers meine Erwartungen oder Befürchtungen nicht bestätigt hätte. Ich wollte eigentlich nur die kalten Werte der Geräteanzeige ablesen, um endlich auch den letzten Widerstand – die letzte Hoffnung – begraben zu können.
Der Schlittschuh bildete mein Körperinneres ab und enthüllte mittels einer Vielzahl sensorischer Verfahren meine tiefsten Geheimnisse. Die Maschine war im Grunde ein hochentwickelter Trawl, der aber nicht nur auf die spezielle Zusammensetzung des Neuralgewebes abgestimmt war, sondern die Zell- und Genstrukturen des ganzen Körpers erfassen konnte. Wenn man ihr genügend Zeit ließ, konnte sie Materie bis zur atomaren Ebene, ja bis an die Grenzen der Quantenunschärfe auflösen. Aber so viel Präzision war hier nicht erforderlich, und deshalb ging es entsprechend schneller.
Das Ergebnis erschütterte mich bis ins Mark. Etwas fehlte, was hätte da sein sollen.
Dafür war etwas vorhanden, das hier nichts zu suchen hatte.
Zweiunddreißig
»Du machst ein Gesicht, als hättest du ein Gespenst gesehen«, sagte Zebra.
Sie hatte darauf bestanden, dass ich mich im Innenhof hinsetzte, und mir ein undefinierbares Getränk bestellt, das heiß und süß schmeckte.
»Du hast ja keine Ahnung.«
»Was war denn so schlimm, Tanner? Du musstest doch irgendeinen Verdacht haben, sonst hättest du den Scan erst gar nicht machen lassen.«
»Ich würde eher von einer Befürchtung sprechen.«
Ich wusste nicht, wo, wann oder mit wem ich anfangen sollte. Seit meiner Ankunft im Orbit um Yellowstone war mein Erinnerungsvermögen gestört, und zudem hatte ich mich mit dem Indoktrinationsvirus angesteckt. Das Virus hatte mir unerwünschte Einblicke in Sky Haussmanns Psyche verschafft, doch gleichzeitig waren auch Teile meiner eigenen Vergangenheit wieder deutlich geworden: wer ich war; was ich hier suchte; warum ich Reivich töten wollte. Mit alledem hätte ich mich noch abfinden können, auch wenn es mich tief beunruhigte. Doch es hatte nicht aufgehört. Es hatte nicht einmal aufgehört, als ich anfing, mich mit Gedanken und Gefühlen durch Skys Vergangenheit zu tasten, und von geheimen Verbrechen erfuhr, über die sonst niemand Bescheid wusste. Und es hatte auch nicht aufgehört, als sich meine Erinnerungen an Gitta verwirrten und ich sie nicht mit meinen, sondern mit Cahuellas Augen sah.
Selbst dafür hätte sich mit einiger Anstrengung noch eine Erklärung finden lassen. Vielleicht waren Cahuellas Erinnerungen irgendwie zwischen meine eigenen geraten? So etwas kam vor. Erinnerungen konnten schließlich aufgezeichnet und übertragen werden. Ich hatte zwar keine Ahnung, aus welchem Grund sich Cahuellas Erlebnisse mit meinen vermischen sollten, aber ausgeschlossen war es nicht.
Doch die Wahrheit – die Wahrheit, die mir nun ganz allmählich dämmerte – war noch sehr viel erschreckender.
Ich lebte nicht im richtigen Körper.
»Es ist nicht so leicht zu erklären«, sagte ich.
»Niemand geht einfach in ein Meistermischer-Zentrum und lässt sich auf innere Verletzungen scannen«, zischte Zebra, »wenn er nicht wenigstens zur Hälfte überzeugt ist, auch etwas zu finden.«
»Nein, ich…«Ich hielt inne. War es Einbildung, oder hatte ich in der bunten Menge, die sich um Methusalems Becken drängte, soeben wieder dieses Gesicht gesehen? Vielleicht litt ich jetzt endgültig unter Halluzinationen. Vielleicht hatte mir das, was mir der Meistermischer gezeigt hatte, den Rest gegeben. Vielleicht war es von jetzt an mein Schicksal, überall und in jeder Lebenslage auf Reivich zu stoßen.
»Tanner…?«
Ich wagte nicht, mir die Menge genauer anzusehen. »Es hätte eine Wunde da sein müssen«, sagte ich. »Aber die fehlte. Eine alte Verletzung, die längst verheilt war… aber jeder Heilungsprozess hinterlässt seine Spuren.« »Was war das für eine Wunde?«
»Nach meinen Erinnerungen müsste ich einen Fuß verloren haben. Ich könnte dir genau sagen, wie es dazu kam und was ich dabei empfand. Aber es ist nichts zu sehen.«
»Dann muss das Regenerationsverfahren sehr ausgereift gewesen sein.«
»Und was ist mit
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