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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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kleinen Vorsprungs konnte die Gesamtaufnahme des Gehirns bis auf eine leichte, durch die Grenzen der räumlich-zeitlichen Auflösungskapazität des Verfahrens bedingte Unscharfe völlig normal ausfallen. Der Scan war beendet, bevor Reivich erkannte, dass er begonnen hatte – und wenn danach der Schock sein Bewusstsein erreichte und ganze Neural-Routinen ins Koma stürzte, spielte es keine Rolle mehr.
    Die Abbildung war erfolgt.
    Selbst die Schäden hätten keine Rolle spielen dürfen; mit Nanomaschinen konnte jede Verletzung fast gleichzeitig mit ihrer Entstehung geheilt werden. Wie bei einem Gebäude, das unter Beschuss stand: die Explosionen brachten die Steine ins Wanken, aber im Innern behob ein Trupp von emsigen Maurern in rasendem Tempo jeden Schaden, bevor die nächste Granate einschlug…
    Doch diesen Weg war Reivich nicht gegangen.
    Reivich hatte den Tod gewählt; er hatte sich dafür entschieden, jede Zelle und das umliegende Hirngewebe den verheerenden Kräften auszusetzen, weil er wusste, dass ungeachtet aller Folgen für seinen Körper sein Wesen erhalten bliebe, eingefangen für die Ewigkeit und – endlich – in einer Form konserviert, die nicht durch eine Bagatelle wie Mord oder Krieg ausgelöscht werden konnte.
    Ein Teil von ihm hatte es geschafft.
    Aber nicht der Teil, den wir jetzt vor uns sahen.
    »Wenn Sie sterben wollen«, sagte ich, »wenn Sie den Tod als unvermeidlich akzeptieren – und Sie müssen vor dem Scan gewusst haben, was auf Sie zukam –, warum sind Sie dann nicht gleich beim Scannen gestorben?«
    »Das bin ich ja«, sagte Reivich. »Nach mindestens einem Dutzend medizinischer Kriterien, die in einem anderen System vor jedem Gericht Bestand hätten. Aber ich wusste auch, dass Refugiums Maschinen imstande waren, mich, wenn auch nur vorübergehend, ins Leben zurückzuholen.«
    »Sie hätten auch warten können«, sagte Quirrenbach. »Binnen weniger Tage hätte man Nanomaschinen herstellen können, die genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmt waren.«
    Reivichs knochige Schultern bewegten sich unter der Decke: ein Achselzucken. »Aber die Nanomaschinen hätten nur funktioniert, wenn ich Abstriche bei der Genauigkeit des Scans hingenommen hätte. Das wäre nicht ich gewesen.«
    »Tanners Ankunft hatte nicht zufällig etwas mit Ihrer Entscheidung zu tun?«, fragte ich.
    Reivich fand meinen Einwurf offenbar komisch; sein Lächeln vertiefte sich ein wenig. Schon bald, dachte ich, würden wir alle sein echtes Lächeln zu sehen bekommen, das Grinsen des blanken Totenschädels. Viel Zeit blieb ihm sicher nicht mehr.
    »Tanner hat mir die Entscheidung um einiges leichter gemacht«, sagte Reivich. »Mehr Einfluss auf meine Situation billige ich ihm nicht zu.«
    »Wo ist er?«, fragte Chanterelle.
    »Er ist hier«, sagte die Jammergestalt im Sessel. »Er ist schon seit mehr als einem Tag hier – in Refugium. Aber wir sind uns bisher noch nicht begegnet.«
    »Sie sind sich nicht begegnet!« Ich schüttelte den Kopf. »Was, zum Teufel, hat er dann seit seiner Ankunft getrieben? Und was ist mit der Frau, die bei ihm ist?«
    »Tanner hat meinen Einfluss unterschätzt«, erklärte Reivich. »Nicht nur hier in Refugium, sondern überall im Umkreis von Yellowstone. Bei Ihnen war es genauso, nicht wahr?«
    »Sprechen wir nicht von mir. Sprechen wir von Tanner. Er ist ein viel interessanterer Fall.«
    Reivichs Finger strichen über den Rand der Decke. Die andere Hand – vorausgesetzt, es gab sie überhaupt – blieb ganz darunter verborgen. Ich bemühte mich, diesen Anblick mit dem Bild des jungen Adeligen zur Deckung zu bringen, den ich die ganze Zeit verfolgt hatte, aber die beiden schienen nichts gemeinsam zu haben. Die Maschine hatte Reivich sogar seinen Sky’s Edge-Akzent geraubt.
    »Tanner kam nach Refugium, um mich zu töten«, sagte er. »Aber in erster Linie wollte er Sie aus den Schatten locken.«
    »Und Sie meinen, das wüsste ich nicht?«
    »Um es anders auszudrücken, ich finde es erstaunlich, dass Sie dennoch gekommen sind.«
    »Ich bin mit Tanner noch nicht fertig.«
    »Und was heißt das?«
    »Ich kann nicht zulassen, dass er Sie tötet, nicht einmal, wenn es gar nicht beabsichtigt wäre. Sie haben den Tod nicht verdient. Sie haben aus Rache gehandelt – sie haben sich töricht verhalten –, aber Sie waren niemals niederträchtig.«
    Wieder sank der Kopf nach vorne, diesmal in stummer Anerkennung meiner letzten Worte. »Hätte Cahuella nicht versucht, meinen Trupp in einen Hinterhalt

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