Chasm City
Bäume, die bei einem Wirbelsturm immer stehen bleiben. Der Unterkiefer hing kraftlos herunter, und die Zunge lag wie eine schwarze Schnecke in seinem Mund.
Er hob die Hand. Es war, bis auf ein paar Leberflecken, die Hand eines sehr viel jüngeren Mannes.
»Ich habe Sie offenbar erschreckt«, sagte Reivich.
Jetzt begriff ich, dass die Stimme nicht aus seinem Mund kam, sondern aus dem Lebenserhaltungsgerät. Sie klang immer noch schwach. Vermutlich strengte ihn sogar das Subvokalisieren an.
»Sie haben es getan«, sagte Quirrenbach und trat näher an den Mann heran, der immer noch sein Auftraggeber war. »Sie haben sich scannen lassen.«
»Vielleicht habe ich vergangene Nacht auch nur schlecht – geschlafen«, sagte Reivich. Seine Stimme klang wie ein Windhauch. »Alles in allem halte ich Ihre Version für wahrscheinlicher.«
»Was ist geschehen?«, fragte ich. »Ist etwas schief gegangen?«
»Gar nichts ist schief gegangen.«
»Sie dürften nicht so aussehen«, sagte Quirrenbach. »Sie kommen mir vor, als stünden Sie an der Schwelle des Todes.«
»Vielleicht ist es so.«
»Ist der Scan missglückt?«, fragte Zebra.
»Nein, Taryn, wie ich höre, war der Scan ein voller Erfolg. Meine Neuralstruktur konnte vollständig erfasst werden.«
»Sie hatten es zu eilig«, sagte Quirrenbach. »So ist es doch, nicht wahr? Sie konnten die vielen medizinischen Tests nicht abwarten, und das ist dabei herausgekommen.«
Reivich nickte kaum merklich. »Menschen wie ich und Tanner – und wie Sie«, sagte er und sah mich an, »haben keine Nanomaschinen im Blut. Kaum jemand auf Sky’s Edge hat sie in seinen Zellen, mit Ausnahme einer Handvoll Menschen, die sich eine Behandlung durch die Ultras leisten konnten. Und auch wer das Geld dafür hatte, wählte oft eine andere Art der Langlebigkeitstherapie.«
»Wir hatten andere Probleme«, sagte ich.
»Natürlich. Deshalb verzichteten wir auf solche Luxusgüter. Nur hätte ich die Nanomaschinen leider gebraucht, um meine Zellen vor den Auswirkungen des Scans zu schützen.«
»Nach alter Art? Brutal und schnell?«, fragte ich.
»Die beste Methode, wenn man den Theoretikern glauben will. Alles andere ist nur ein Kompromiss. Es ist ganz einfach: wenn man seine Seele – und nicht nur ein verschwommenes Abbild davon – in die Maschine bringen will, dann muss man dafür sterben. Oder zumindest Verletzungen in Kauf nehmen, die normalerweise tödlich wären.«
»Und warum haben Sie sich nicht mit Nanomaschinen geschützt?«, fragte Quirrenbach.
»Die Zeit reichte nicht aus für eine richtige Behandlung. Medizinische Nanomaschinen müssen sorgfältig auf den Träger abgestimmt und langsam in den Körper eingeschleust werden. Sonst kommt es zu einem massiven toxischen Schock, und man stirbt, bevor einem die Maschinen helfen können.«
»Wenn Sie Sylvestes Anlage verwendet haben…«, begann ich vorsichtig. Man hatte mir von diesen Experimenten erzählt –, »dann dürften Sie jetzt nicht einmal mehr atmen.«
»Es war ein neueres Verfahren, eine Weiterentwicklung von Sylvestes ersten Experimenten. Aber Sie haben Recht – trotz aller technischen Fortschritte müsste ich eigentlich schon tot sein. Allerdings hat man mir so viele Breitband-Maschinen verabreicht, dass ich den Scan – zumindest für eine Weile – überleben kann.« Er deutete auf das Lebenserhaltungsgerät und die drei Servomaten. »Refugium stellt diese Maschinen zur Verfügung. Sie bemühen sich, die Zellschäden in Grenzen zu halten und ausgefeiltere Nanomaschinen-Varianten einzuschleusen, aber ich werde den Verdacht nicht los, dass sie es nur tun, um sich keine Vorwürfe machen zu müssen.«
»Sie glauben, Sie werden bald sterben?«, fragte ich.
»Ich spüre es in allen Knochen.«
Ich versuchte mir vorzustellen, was er erlebt haben musste; der qualvolle Moment der Neuralabbildung, als würde man vom hellsten Scheinwerfer erfasst, den man sich denken konnte; ein Licht, das unter die Haut ging, bis ins Mark drang, ihn für diesen einen durchbohrenden Moment zu einer Rauchglasskulptur seiner selbst machte.
Die schnellen Analysestrahlen, auf zelluläre Auflösung gebündelt, waren nur wenig schneller als die synaptischen Impulse durch sein Gehirn gerast, den Cortex-Botschaften kaum voraus, die das sich ausbreitende Chaos verkündeten. Als der Scan seinen Hirnstamm erreichte, hatte dieser Bereich noch keine Information über die Zerstörung der darüber liegenden Bewusstseinsschichten erhalten. Wegen dieses
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