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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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nicht. Du hast wahllos losgeballert. Er wurde zum Glück von einem Querschläger getroffen. Du hättest uns alle umbringen können.«
    »Habe ich aber nicht.«
    Sie beugte sich über ihn und nahm ihm das Gewehr ab. »Ich glaube, das gehört mir.«
    Inzwischen kamen die Sanitäter die Leiter heruntergestiegen. Natürlich hatte niemand Zeit gehabt, die Leute zu informieren, und so wussten sie im ersten Moment nicht, um wen sie sich zuerst kümmern sollten. Ein angesehenes, hochrangiges Mitglied der Besatzung war schwer verwundet; zwei weitere Besatzungsmitglieder schwebten womöglich ebenfalls in Lebensgefahr. Doch außerdem lag da ein verletzter Schläfer, und der stand als Angehöriger einer Elite, deren Dienst sie ihr Leben geweiht hatten, noch höher. Dass diese Momio nicht das war, was sie zu sein schien, war wohl nicht sofort ersichtlich.
    Einer der Sanitäter trat zu Sky und untersuchte ihn kurz, dann drückte er ihm eine Atemmaske auf das Gesicht und überflutete sein kraftloses Atmungssystem mit reinem Sauerstoff. Sky spürte, wie die schwarze Flut ein wenig zurückwich.
    »Helft Titus«, sagte er und deutete auf seinen Vater. »Aber tut auch für den blinden Passagier, was ihr könnt.«
    »Ist das Ihr Ernst?«, fragte der Sanitäter, der inzwischen wohl halbwegs erfasst hatte, was hier vorgefallen war.
    Sky drückte sich die Maske wieder auf das Gesicht, bevor er antwortete. Im Geiste überlegte er fieberhaft, was er dem Mörder antun, auf welch gewundenen Pfaden er ihm wahre Höllenqualen bereiten könnte.
    »O ja, das ist sogar mein voller Ernst.«

Elf
    Als ich erwachte, war mir kalt. Ich konnte mich kaum aus den Fängen des Haussmann-Traums befreien. Die Nachwirkung war beunruhigend stark; ich sah mich immer noch an Skys Seite stehen und zusehen, wie sein verletzter Vater weggetragen wurde. Im trüben Licht der Kabine untersuchte ich meine Hand. Das Blut im Zentrum der rechten Handfläche war schwarz und zäh wie ein Klumpen Teer.
    Schwester Duscha hatte mir erklärt, es handle sich um einen schwachen Stamm, aber es wollte mir offenbar nicht gelingen, die Infektion aus eigener Kraft zu besiegen. Die Jagd auf Reivich aufzuschieben, kam natürlich nicht infrage, dennoch fand ich Duschas Vorschlag, noch etwa eine Woche in Idlewild zu bleiben und mir das Virus von erfahrenen Ärzten ausschwemmen zu lassen, in diesem Moment sehr viel reizvoller als die Vorstellung, die Sache allein durchstehen zu müssen. Auch wenn der Stamm verglichen mit einigen anderen schwach sein mochte, konnte mir niemand garantieren, dass die Krankheit schon ihren Höhepunkt erreicht hatte.
    Dann stieg ein vertrautes und nicht sonderlich angenehmes Gefühl in mir auf: Übelkeit. Ich war an Schwerelosigkeit ganz und gar nicht gewöhnt, und die Eisbettler hatten mir keine Medikamente gegeben, um den Flug erträglicher zu machen. Ich überlegte ein paar Minuten lang, ob es sich lohnte, meine Kabine zu verlassen, oder ob ich besser einfach liegen blieb und die Beschwerden ertrug, bis wir das Glitzerband erreichten. Irgendwann siegte mein Magen, und ich beschloss, den Weg zum Gemeinschaftszentrum des Schiffes auf mich zu nehmen. Auf einem der Zettel in der Kabine stand, dort gebe es etwas zu kaufen, um die schlimmsten Symptome zu mildern.
    Doch schon der Weg dorthin war abenteuerlicher, als mir lieb sein konnte. Das Zentrum, eine große, voll ausgerüstete und belüftete Kugel mit Restaurants, Apotheke und Vergnügungsstätten, lag irgendwo im vorderen Teil des Schiffes. Um es zu erreichen, musste man sich durch ein Labyrinth von klaustrophobisch engen Kriechgängen schlängeln, die mitten durch die Triebwerkskomponenten und um sie herum führten. Die Zettel in meiner Kabine warnten davor, sich in bestimmten Abschnitten zu lange aufzuhalten, und überließen es dem Leser, daraus seine Schlüsse über den Zustand der internen Strahlungsabschirmung in den genannten Bereichen zu ziehen.
    Unterwegs dachte ich über den Traum nach.
    Etwas störte mich daran, und ich überlegte immer wieder, inwiefern die Ereignisse zu dem passten, was ich bereits über Sky Haussmann wusste. Ich war kein Haussmann-Experte (das war ich nie gewesen), aber wer auf Sky’s Edge aufgewachsen war, bekam eine Reihe von grundlegenden Fakten über ihn und sein Leben zwangsläufig mit. Alle Welt wusste, wie Sky sich nach dem Blackout auf der Santiago, als das andere Schiff explodierte, vor der Dunkelheit gefürchtet hatte, und alle Welt wusste auch, dass und wie seine

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