Chasm City
Russisch einigermaßen behelfen konnte. »Aber alles in allem… nein, wohl eher nicht. Und so lange wir uns nicht besser kennen, will ich auch nicht dein Freund sein. Und jetzt verschwinde. Ich muss nachdenken.«
»Ich mir überrlegen.«
Der Servomat hatte bei uns angehalten. Sein beschränkter Prozessor spulte stur sein Programm ab, ohne die wachsende Spannung zwischen uns zu registrieren, begrüßte uns als Reisegefährten und erkundigte sich, ob wir irgendwelche Wünsche hätten. Bevor der Riesenkerl neben mir zu Wort kam oder sich auch nur umdrehen konnte, bestellte ich mir eine Scopolamin-Dextrose-Injektion, das älteste und billigste Medikament gegen Übelkeit, das es gab. Wie alle Passagiere hatte ich mir für die Dauer der Reise ein Bordkonto eingerichtet, ich war mir allerdings nicht ganz sicher, ob die einbezahlte Summe für den Preis der Spritze ausreichte. Aber der Servomat erhob keine Einwände, eine Luke klappte auf und eine Einweg-Spritze kam zum Vorschein.
Ich entnahm die Spritze, rollte den Ärmel hoch und stieß mir die Nadel in die Vene, als wollte ich mich gegen einen Angriff mit biologischen Kampfstoffen wappnen.
»He, du machst das wie Prrofi. Kein Zögerrn.« Die Bewunderung klang aufrichtig. Der Mann nuschelte jetzt in langsamem Norte. »Was bist du, Doktor?«
Ich rollte den Ärmel über die anschwellende Einstichstelle.
»Nicht ganz. Aber ich arbeite mit kranken Menschen.«
»Ja?«
Ich nickte. »Kannst gerne eine Kostprobe haben.«
»Ich bin nicht krank.«
»Glaube mir, das hat mich noch nie abgehalten.«
Ich war mir nicht sicher, ob er schon kapierte, was ich ihm sagen wollte; dass er mit mir nämlich nicht die beste Wahl getroffen hatte, falls er für den nächsten Tag einen Gesprächspartner suchte. Ich warf die leere Spritze in den Servomaten zurück. Die Scop-Dex-Mischung wirkte bereits, ich spürte nur noch ein schwaches, nebelhaftes Unbehagen. Es gab sicher wirksamere Behandlungen für die Raumkrankheit – die so genannten Anti-Agonistene –, aber selbst wenn sie hier erhältlich gewesen wären, hätten meine Mittel wohl kaum ausgereicht, um sie zu bezahlen.
»Harrter Burrsche«, sagte der Mann und nickte, obwohl sein Hals für so extreme Belastungen nicht gebaut war. »Gefällt mir. Aber wie harrt du bist wirrklich?«
»Das geht dich zwar eigentlich nichts an, aber du kannst es gern mal ausprobieren.«
Der Servomat wartete noch ein wenig, dann schwebte er zur nächsten Gruppe weiter. Inzwischen waren weitere potenzielle Kunden eingetroffen und schauten mit blässlichen Gesichtern in die Runde. Eigentlich war es lächerlich. Da waren wir nun über so viele Lichtjahre durch den interstellaren Raum gekommen, und doch war die Reise auf diesem kleinen Shuttleboot für viele von uns der erste Weltraumflug, den wir bei Bewusstsein erlebten.
Der Hüne beäugte mich. Ich glaubte fast zu hören, wie in seinem Schädel viele kleine Rädchen zu schwirren begannen. Sicher ließen sich die meisten Leute, die er ansprach, leichter einschüchtern als ich.
»Wie gesagt, ich heiße Vadim. Jederr nennt mich so. Nur Vadim. Ich bin Orriginal – man könnte sagen, Teil von Lokalkolorrit. Und du?«
»Tanner«, sagte ich. »Tanner Mirabel.«
Er nickte so langsam und bedächtig, als hätte er meinen Namen schon einmal gehört.
»Das rrichtiger Name?«
»Ja.«
Es war mein richtiger Name, aber ich konnte ihn ohne Bedenken verwenden. Dass Reivich ihn bereits erfahren hatte, war ausgeschlossen, auch wenn er natürlich wusste, dass ihn jemand verfolgte. Cahuellas Organisation war straff geführt, die Identität der Angestellten wurde geschützt. Reivich könnte bestenfalls den Eisbettlern eine Liste aller anderen Passagiere der Orvieto abgeschmeichelt haben – aber die hätte ihm noch lange nicht verraten, wer nun unter den vielen Namen der Mann war, der ihm nach dem Leben trachtete.
Vadim fragte in kameradschaftlich interessiertem Tonfall: »Woherr du kommen, Meera-Bell?«
»Das geht dich nichts an«, sagte ich. »Bitte, Vadim – was ich eben sagte, war ernst gemeint. Ich habe keine Lust, mit dir zu reden, Lokalkolorit hin oder her.«
»Aber ich will dir Geschäft vorrschlagen, Meera-Bell. Ich denken, du sollten zuhörren.« Er starrte immer noch mit einem Auge durch mich hindurch, während das andere auf irgendeinen Punkt schräg hinter meiner Schulter gerichtet war.
»Ich bin an deinem Geschäft nicht interessiert, Vadim.«
»Du sollten aber sein.« Jetzt hatte er die Stimme
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