Chasm City
Lauf nicht direkt auf sie gerichtet, aber auch nicht direkt von ihr abgewandt. Obwohl er die Waffe nicht bedienen konnte, wirkte er wohl hinreichend entschlossen, denn Constanza wich zurück. Ihr Blick huschte zum Gewehr, das immer noch durch das schwarze Kabel mit ihrem Helm verbunden war. Das Kabel war jetzt straff gespannt.
Sky nickte ihr zu. »Gib mir das Kopfteil«, verlangte er.
»Das trägt dir eine Menge Ärger ein«, prophezeite sie.
»Wieso? Weil ich meinem Vater folge, der sich in Gefahr befindet? Das rechtfertigt schlimmstenfalls eine maßvolle Verwarnung.« Wieder nickte er ihr zu. »Gib mir den Helm, Constanza.«
Sie verzog das Gesicht, dann nahm sie den Helm ab. Sky setzte ihn auf, ohne sie auch noch um das Innenfutter zu bitten. Der Helm war ihm etwas zu klein, aber er hatte keine Zeit, um die Größe einzustellen. Er klappte das Monokel herunter und sah befriedigt, wie es aufleuchtete und ihm zeigte, was das Gewehr sah. Ein Bild in verschiedenen Tönen von Grau bis Grün, überlagert vom Fadenkreuz, den Werten des Entfernungsmessers und den verschiedenen Statusanzeigen. Mit alledem konnte er nichts anfangen, doch als er sich Constanza zuwandte, stach ihre Nase als weißer Fleck aus ihrem Gesicht hervor. Infrarot; mehr brauchte er nicht zu wissen.
Er ließ sich in den Schacht hinunter. Constanza folgte ihm in vorsichtigem Abstand.
Er hörte keine Schreie mehr, aber die Stimmen waren noch da. Sie klangen leise, aber nicht ruhig. Er konnte seinen Vater jetzt eindeutig identifizieren, doch die Art, wie er sprach, war ihm fremd.
Er erreichte den Raum, von dem aus alle Kälteschlafkojen dieser Gruppe zu erreichen waren. Die Kojen gingen strahlenförmig nach zehn Seiten ab, aber nur eine der Verbindungstüren stand offen. Von dort kamen die Stimmen. Sky brachte das Gewehr in Anschlag und näherte sich durch den von Rohren durchzogenen Korridor der Koje. Der Korridor war eigentlich dunkel, doch jetzt leuchtete er in matten Grau- und Grüntönen. Sky stellte fest, dass er in Panik war. Die Angst war immer da gewesen, doch erst, seit er das Gewehr in Händen hielt und hier unten angekommen war, hatte er Zeit, sich damit zu befassen. Das Gefühl war ihm fast, aber nicht völlig fremd. Er wusste noch recht gut, wann er es zum ersten Mal kennen gelernt hatte, damals, als er allein, von aller Welt verlassen, in seinem Kinderzimmer saß. Nun warf sein eigener Schatten Phantombilder an die Wand, und einen Augenblick lang wünschte er, Clown wäre bei ihm und könnte ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen. Der Gedanke, in sein Kinderzimmer zurückzukehren, hatte plötzlich einen fast unwiderstehlichen Reiz. Dort gab es eine heile Welt, unberührt von Gerüchten über Gespensterschiffe oder Sabotage, frei von den sehr realen Nöten der Gegenwart.
Er schlich um eine Biegung im Korridor, und dann lag die Koje vor ihm: ein großer Raum voller lebenserhaltender Maschinen für einen einzelnen Schläfer. Es roch nach hohem, ehrwürdigem Alter wie in einer Totenkapelle. Bis vor kurzem war es hier noch eisig kalt gewesen, und das Monokel zeigte ihm immer noch große olivgrüne und schwarze Flächen.
Hinter sich hörte er Constanza sagen: »Gib mir das Gewehr zurück, Sky, dann wird niemand erfahren, dass du es mir abgenommen hast.«
»Du bekommst es wieder, sobald die Gefahr vorüber ist.«
»Wir wissen doch noch nicht einmal, worin die Gefahr besteht. Vielleicht haben sich ja nur versehentlich ein paar Schüsse gelöst.«
»Und die Störung in der Kälteschlafkoje war sicher auch nur ein unglücklicher Zufall. Sonst noch was?«
Er betrat den Kojenraum und nahm die Szene in sich auf. Die drei Männer von der Sicherheitswache, dazu sein Vater – blassgrüne Flecken, die ins Weißliche spielten.
»Constanza«, sagte einer der Männer. »Ich dachte, du solltest… verdammt. Bist du es überhaupt?«
»Nein, ich bin es. Sky Haussmann.« Sky klappte das Monokel hoch. Sofort wurde der Raum merklich dunkler.
»Und wo ist Constanza?«
»Ich habe ihr den Helm und das Gewehr abgenommen. Es geschah ganz und gar gegen ihren Willen.« Er schaute über die Schulter. Hoffentlich hatte Constanza gehört, wie er sie zu entlasten versuchte. »Sie hat sich wirklich gewehrt, glaubt mir.«
Es gab zehn Kojen in dem Ring, und jede war durch einen eigenen Korridor mit dem Zentrum des Moduls verbunden. Seit dem Start der Flottille war der Raum allenfalls ein bis zwei Mal betreten worden. Die Versorgungssysteme für die Schläfer waren
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