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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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eine komplizierte Kette von Schlussfolgerungen ableiten. Ein anderer schuf mit gesteuerter Kernspaltung atomare Feuerbälle, die vorübergehend das Aussehen berühmter Persönlichkeiten annahmen. Auch vor den verrücktesten sozialen Experimenten scheute man nicht zurück: Tausende von Menschen unterwarfen sich freiwillig einer Tyrannei diktatorischer Staaten, weil sie nicht mehr gezwungen sein wollten, moralische Entscheidungen über ihr eigenes Leben zu treffen. In manchen Habitats ließen die Bewohner ihre höheren Hirnfunktionen außer Kraft setzen, um wie eine Herde Schafe unter der Obhut von Maschinen zu leben. In anderen ließ man sein Bewusstsein auf Affen oder Delphine übertragen und ging fortan in verwickelten Machtkämpfen um die Rechte an einzelnen Bäumen oder in elegischen Sonarphantasien auf. Gruppen von Wissenschaftlern, die bei den Musterschiebern gewesen waren, um sich das Bewusstsein neu konfigurieren zu lassen, vertieften sich in die Metastruktur der Raumzeit und ersannen ausgeklügelte Experimente, die an die Grundlagen der Existenz rührten. Eines Tages, so munkelte man, würden sie das Prinzip für einen überlichtschnellen Raumschiffantrieb entdecken und das Geheimnis an ihre Verbündeten weitergeben. Die würden dann die erforderlichen Systeme in ihre Habitats einbauen, und alle anderen würden erst davon erfahren, wenn auf einen Schlag die Hälfte des Glitzerbandes verschwunden wäre.
    Kurzum, das Glitzerband war ein Ort, wo ein halbwegs aufgeweckter Mensch ohne weiteres sein halbes Leben verplempern konnte. Aber ich glaubte nicht, dass Reivich sich lange dort aufhalten würde, bevor er die Reise nach Yellowstone fortsetzte. Er wollte sicher so schnell wie möglich nach Chasm City, um dort unterzutauchen.
    Und ich würde ihm in beiden Fällen keinen großen Vorsprung lassen.
 
    Immer noch von Übelkeit geplagt, kroch ich in den Gemeinschaftsbereich und sah mich um. Etwa ein Dutzend anderer Passagiere befanden sich in der Kugel. Obwohl jeder sich aussuchen konnte, wie er sich orientieren wollte (die Triebwerke des Shuttleboots waren im Moment abgeschaltet), hatten sich alle so verankert, dass Oben und Unten einheitlich ausgerichtet waren. Ich suchte mir einen freien Wandriemen, steckte den Arm hinein und gab vor, die anderen Matschraupen mit lediglich mäßigem Interesse zu beobachten. Sie hatten sich in Zweier- und Dreiergruppen zusammengefunden und unterhielten sich leise. Ein sphärischer Servomat schwebte, von winzigen Ventilatoren angetrieben, von einer Gruppe zur anderen und bot Waren feil, die er aus verschiedenen, über seinen ganzen Körper verteilten Luken abgab. Er erinnerte mich an eine Jägerdrohne, die sich lautlos ihr nächstes Ziel suchte.
    »Kein Grund, nerrvös zu werrden, Frreund«, nuschelte jemand in kehligem Russisch. »Ist nur Roboterr!«
    Ich ließ ganz offensichtlich nach, sonst hätte ich merken müssen, dass sich jemand an mich herangeschlichen hatte. Gemächlich drehte ich mich um und sah mir den Sprecher an. Vor mir schwebte eine Fleischmauer, die den halben Raum versperrte. Auf einem Hals, der dicker war als mein Oberschenkel, saß ein rosiges, förmlich wundgeriebenes Gesicht. Der Haaransatz befand sich nur etwa einen Zentimeter über den Augenbrauen: das Haar selbst war lang und schwarz und mit Pomade nach hinten an den Schädel geklatscht, der einem grob behauenen Felsblock glich. Über dem breiten Mund mit den hängenden Mundwinkeln prangte ein dichter schwarzer Schnauzbart, ein dünner schwarzer Backenbart betonte den gewaltigen Unterkiefer. Der Mann hatte die Arme vor der Brust verschränkt wie ein Kosakentänzer, sein überdurchschnittlich entwickelter Bizeps drohte die Ärmel zu sprengen. Er trug einen langen, wattierten Mantel mit großen Flicken aus einem steifen, in allen Regenbogenfarben schillernden Material, die das Licht einfingen und in tausend Fünkchen zerlegten. Seine Augen starrten durch mich hindurch und schienen sich nicht genau auf denselben Punkt zu richten, so als wäre eines davon aus Glas.
    Das gibt Ärger, dachte ich.
    »Wer ist hier nervös?«, fragte ich.
    »He, Junge kann ja sprechen.« Der Mann verankerte sich neben mir an der Wand. »Ich machen nurr Konverrsation, da?«
    »Großartig. Und jetzt zieh Leine und such dir jemand anderen für deine Konversation.«
    »Warum so unfrreundlich? Du Vadim nicht mögen, Frreund?«
    »Zunächst war ich bereit, dir eine Chance zu geben«, antwortete ich auf Norte, obwohl ich mich auch mit

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