Chauffeur of love - Mr Daisy?
unten. Er starrt di e Finger einen Moment an, bevor er sie packt und unsanft auf mein Bein legt.
„Hier vorne sitzt nur der Fahrer, und das bin ich“, knurrt er. „Ach ja, als kleiner Ansporn noch eines: Ich habe dich bisher nicht verraten, aber wenn du gegen die Bedingung verstößt soll es die ganze Welt wissen. Klar?“
Oh ja, das sind deutliche Worte. Wobei es mich nicht wirklich stören würde, wenn alle Welt von meiner Homosexualität erfährt, nur will ich den Zeitpunkt selbst bestimmen. Dennoch gebe ich mich erst mal erschrocken und lächle Charlie gewinnend an.
„Okay, dann gilt der Handel“, sage ich leise.
Er lächelt nur zögernd und die Distanz zwischen uns fühlt sich an wie Lichtjahre, nicht wie Zentimeter. Mir schaudert vor Kälte, aber es kommt von innen, nicht von außen.
„Gut, dann bringe ich dich jetzt nach Hause.“ Charlie lässt den Motor an und setzt langsam zurück. Er ist ein guter Fahrer, was mir schon vorher aufgefallen ist, aber eigentlich egal war. Nun ist alles anders. Jedes Detail seiner Persönlichkeit ist wichtig und ich sauge alles auf, was er preisgibt.
„Wie geht es deiner Mutter?“, frage ich leise, während die schwere Limousine sicher über die Straße gleitet.
„Besser“, antwortet Charlie knapp.
„Sie – hat sich aus dem Fenster...?“, frage ich, komme aber nicht zum Ende, da er mich wütend anschnaubt.
„Verdammt, nun tu bloß nicht so, als würde es dich interessieren“, fährt er mich an.
Was soll ich dazu sagen? Ich halte den Mund und kurz darauf stehen wir vor meinem großen leeren Haus. Ob ich ihn fragen kann auf einen Kaffee mit hereinzukommen? Heute wohl nicht, denn er ist total aufgebracht und seine Hände umklammern das Steuerrad so fest, dass die Knöchel ganz weiß sind. Nein, heute nicht, aber…
Zwei ganze Wochen schafft es Charlie die Einladungen auszuschlagen. Ich gebe zwar nicht auf, aber die Ungeduld wird immer grösser. Mein einziger Tröster ist meine enge Faust, was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass mir sein Duft fehlt, die heisere Stimme und seine Lippen.
Eines Nachts – es sind jetzt genau zwanzig Tage, die sich Charlie mir verweigert – fasse ich einen Entschluss. Ich werde endlich die Hosen runterlassen. Dem Programmdirektor sage ich lieber nichts, damit er mich nicht davon abbringt.
Ich habe den letzten Gast auseinandergenommen. Einen abgehalfterten Bläser – Trompete – dem man nachsagt, er hätte nie selbst gespielt. Er tritt den Gegenbeweis life an und ich bin darüber recht froh, weil der Typ eigentlich ganz sympathisch rüberkommt. Jetzt sind noch fünf Minuten Zeit für das Schlusswort, einen Witz und den Abspann. Alles ist bis ins Detail geplant und Detlef, mein Co-Moderator, gibt mir ein Zeichen, das ich ignoriere. Stattdessen winke ich den Kameramann näher ran und beginne den Text, den ich mir schon so oft zurechtgelegt habe.
Ich lächle in die Kamera und besiegele die Kündigung mit folgenden Worten: „Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Es gibt unter uns Menschen, die anders sind als die meisten. Nein, ich rede nicht über Ausländer oder Massenmörder, sondern über Homosexuelle. Lesben wie auch Schwule werden weiterhin ausgegrenzt und verspottet. Ich habe nun das große Vergnügen Ihnen mitzuteilen, dass ich auch dazu gehöre. Und – tut es Ihnen plötzlich leid, mich eingeschaltet zu haben? Denken Sie immer daran, dass wir alle gleich sind und niemand aufgrund seiner Sexualität ausgegrenzt werden sollte. Guten Abend.“
Ich neige leicht den Kopf und zeige rüber zu Detlef, der mich fassungslos anstarrt. Auch der Rest der Crew ist still und das Publikum hat aufgehört zu atmen. Gut, wenn dies meine letzte Sendung war, dann ist das so. Kollektives Massensterben aufgrund von erschrecktem Luftanhalten. Wird auf jeden Fall eine Schlagzeile geben.
„Detlef“, zische ich und er reagiert endlich, guckt in die Kamera und stammelt: „Das – kam unerwartet. Ich – weiß ehrlich nicht – was ich sagen soll.“
Na toll. Ich schnaube und laufe einfach aus dem Studio. Niemand hält mich auf.
Leider hält auch vor dem Studio niemand. Ich warte geschlagene dreißig Minuten bis mir klar ist, dass Charlie nicht kommen wird. Hat er die Sendung gesehen? Das würde alles erklären, denn die Erpressung ist somit hinfällig, doch aus diesem Grund habe ich es nicht getan. Ich wollte nur meine eigene Beklemmung loswerden. Matthew
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