Cheffe versenken (German Edition)
auskundschaften, wer da auf mich wartete. Und hell war es auch.
»Hör mal, Trixi. Ich muss gar nicht so früh ins Bett, du Doofe«, schimpfte Rahel. »Habe morgen erst zur dritten Stunde, und irgendjemand muss doch auf dich aufpassen. Wenn’s brenzlig wird, ruf ich einfach die Polizei.«
Gar keine schlechte Idee.
Munter radelte Rahel auf dem asphaltierten Feldweg neben mir her. Florence und Gerd glaubten, wir unternahmen eine kleine Radtour.
»Und auf dieser ollen Farm habt ihr euch früher getroffen, du und deine Freunde? Einfach nur so zum Chillen und Quasseln?«
»Ja klar, einfach nur zum Quasseln. Was ist daran so komisch?«, wollte ich von ihr wissen.
»Ich mein ja nur. Meine Freunde und ich treffen uns abends immer bei Facebook. Da muss ich wenigstens nicht mehr mit dem Fahrrad durch die Kälte.«
Goldige Internet-Jugend. Was wusste Rahel schon von spannenden Treffen mit echten Jungs? Ich war froh, dass wir damals noch keinen virtuellen Chatroom hatten, sondern einen pricklend-kuscheligen Woodroom hinter Berkenkötters Scheune. Rahel schien unbeeindruckt.
Kurz hinter der Dalke-Brücke bogen wir rechts ab. Wir versteckten die Räder in einem kleinen Gebüsch und schlichen durch das Wäldchen Richtung Scheune.
Rahel wurde immer stiller, und ich bekam erste Zweifel an unserer Aktion.
»Hörst du das?«
Etwa 50 Meter vor der Scheune blieben wir stehen. Zuerst vernahmen wir nur das hallende Hämmern eines hyperaktiven Spechts. Rahel kramte vorsichtshalber ihr Handy aus der Tasche.
»Da läuft doch Musik, oder?«
Wie zwei ostwestfälische Indianerimitate suchten wir unsere Fährte Richtung Scheune. Durch die Bäume und Sträucher konnte ich vor dem Eingangstor menschliche Umrisse erkennen. Der Specht drehte auf. Fand heute Abend eine Feier statt?
Der Anrufer konnte unmöglich unter den Gästen sein. Wahrscheinlich hatte er nicht mit einer Party mitten in der Woche gerechnet. Außerdem wollte er mich am Pavillon treffen.
»Bleib du hier«, wies ich Rahel an, »ich schaue kurz am Pavillon nach.«
Rahel starrte mich an und ging brav in die Hocke. Mein Atem wurde schneller. Was, wenn irgendein Psychopath mir auflauerte oder sich genauso feige durchs Unterholz anschlich wie ich? Warum hatte ich diesen Gedanken nicht vorher gehabt?
Doch aufzugeben kam nicht in Frage. Ich musste wissen, wer mir die SMS geschickt hatte. Mit zitternden Knien näherte ich mich dem kleinen hölzernen Pavillon. Bloß keine Äste zertreten. Musikfetzen drangen von der Scheune herüber. Ich spähte durch das dichte Grün. Saß dort jemand im Halbdunkel? Da war doch ein Schatten, oder? Ich schlich noch einen Schritt näher. Der Schatten bewegte sich nicht. Lass das doofe Hämmern, scheiß Specht!, dachte ich gereizt.
In diesem Augenblick hörte ich ein Knacken. Jemand packte mich von hinten und zog mich an den Schultern zurück. Ich riss mich los. Ohne nachzudenken, drehte ich mich um und trat zu. Mit meiner ganzen, verzweifelten Indianerkraft. Volltreffer. Der Angreifer griff sich in den Schritt und sackte taumelnd zu Boden. Selbst der Specht verstummte.
»Raaaheeel!«, schrie ich durch die Stille des Waldes.
In diesem Moment stürmte eine ganze Meute Menschen auf mich zu.
»Spinnst du, Trixi?«, rief einer von ihnen.
Ich schaute mich um und dann zu Boden. Heiliger Mist, im Gras lag Simon Heitkämper – hatte ich ihn entmannt?
Die Leute kamen näher, und erst jetzt erkannte ich sie: Annika, Tim, Mark, die kleine Tatti und einige andere ehemalige Schulfreunde. Annika sprang gleich zu Simon und leistete Erste Hilfe. Das hoffnungsvolle Radiotalent wand sich jaulend hin und her.
»Was soll der Scheiß? Warum hast du Simon in die Eier getreten?«, fragte Tim.
»Hallo? Ich habe mich nur gewehrt. Er hat mich angegriffen. Was schleicht der hier auch so blöd durchs Gelände?«
»Bist du neurotisch? Simon wollte dich überraschen. Wegen der Jahresparty.«
Ich blickte ungläubig in die Runde. Endlich kam auch Rahel angesprungen. Sie hielt ihr Handy noch immer brav in der Hand.
»Jahresparty?«
»Schon vergessen? Unser Treffen, das wir hier jedes Jahr veranstalten. Und bei dem du jedes Jahr fehlst.«
Au weia. Ich erinnerte mich. Annika und Simon luden mich alljährlich zu einer Wiedersehensparty im Wald ein. Aus irgendwelchen unglaublich guten Gründen war ich aber nie hingegangen.
»Mensch, Simon. Das wollte ich nicht«, stotterte ich. Simon rang nach Luft und fiepste: »Danke für die stürmische Begrüßung!«
»Wir
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