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Cheffe versenken (German Edition)

Cheffe versenken (German Edition)

Titel: Cheffe versenken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Güth
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Augen auf, und mit pochenden Schläfen identifizierte ich Rahels Umrisse. Sie hockte vor meinem Bett und warf sich ihre Jacke über.
    »Ich habe heute erst zur dritten Stunde, schon vergessen? Hast du dir für deinen zweiten Arbeitstag frei genommen?«
    »Wieso frei?«
    Ich schaltete die Nachttischlampe an. Der Lichtstrahl schoss durch meine Augen direkt ins Hirn und gab meinem Schädel den Impuls zu explodieren. 9 Uhr 40.
    »Kein Urlaub. Shit.«
    Wie ein hundertjähriger Freeclimber kraxelte ich aus dem Bett. Mein Kreislauf fühlte sich überrumpelt und sackte ab. Ich wankte ins Bad. Unter meiner Schädeldecke hämmerte der kleine fiese Biergeist vom Vorabend wie der hyperaktive Specht im Rhedaer Forst.
    »Schönen Tag noch«, vernahm ich von der vorbeiziehenden Rahel, bevor sie die Wohnungstür hinter sich zuwarf.
    Edith saß jeden Morgen pünktlich um 8 Uhr 30 im Büro. Auch die anderen Kollegen waren spätestens um 9 Uhr da. Wie sollte ich diesen peinlichen Ausrutscher erklären?
    Ich steckte meinen Kopf unter den Wasserhahn und versuchte es mit der Rabiatmethode. Das eisige Wasser auf meiner Kopfhaut schmerzte mehr als das Pochen im Schädelinneren. Danach trocknete ich mir die Haare ab und lief in mein Zimmer zurück. Ich übersah meine Schuhe, die mitten im Raum lagen, und kam ins Stolpern. Dabei prallte ich mit dem linken Ellbogen gegen den Handgriff meiner Schranktür.
    Willkommen, noch ein Schmerz, der von meinem Kopf ablenkte. Fluchend kramte ich meine beste Jeans heraus und fand ein rosafarbenes Poloshirt. Bürotauglichkeitsklasse C.
    Mit diesem Pochen konnte ich unmöglich in den Verlag fahren. Ich wetzte in die Küche und schnappte mir eine Scheibe Knäckebrot. Während ich mir die Turnschuhe zuband, verschlang ich die staubige Schnitte. Anschließend würgte ich eine Schmerztablette mit einem Glas Wasser herunter. Gerade als ich aus dem Haus sprinten wollte, klingelte das Telefon. 00976… und unendlich viele weitere Ziffern füllten das Display. Die Mongolei! Mein Herz machte einen verkaterten Freudensprung.
    »Hallo? – Mama, bist du das? – Satellitentelefon? – Wo seid ihr? – Kenn ich nicht. – Wie spät ist es bei euch? Vier Uhr nachmittags? – Stimmt, wir sind viel unterwegs. – Geht’s euch gut? – Auch Papas Rücken? – Mama, halt dich jetzt bitte fest: Betty will, dass ich ausziehe! – Gute Idee?«
    Rauschen, die Leitung war tot. Ich konnte es nicht glauben. Hatte Mama ihr liebendes Mutterherz den mongolischen Geiern zum Fraß vorgeworfen?
    Mit einer Mischung aus Wut und Unglauben trat ich gegen die Wohnungstür und schnappte meine Tasche. Im Hausflur fiel mir auf: Mit dem Fahrrad würde ich mindestens zwanzig Minuten bis zum Verlag brauchen. Eindeutig zu lange.
    Als Florence meinen flehenden Blick sah, erkannte sie meine Not.
    »Aber nur ’eute!«
    Sie trippelte in die Küche und kehrte mit einem Autoschlüssel zurück.
    Ich besaß nur mein altes, rotes Hollandrad. Für den Kauf eines Autos reichten meine Einkünfte nie aus. Auch meine Eltern wollten mir keinen Kleinwagen spendieren. Ich hatte ihre Argumente zwar nie verstanden, denn welch größeren Gefallen kann man seinem Kind tun, als ihm ein Auto zu schenken? Na schön, mein alter Drahtesel, den ich noch aus der Schulzeit hatte, war ein treu rollender Untersatz, und bisher hatte ich in dieser überschaubar großen Stadt alle Ziele ohne Probleme autolos erreicht. Nur heute brauchte ich etwas Schnelleres.
    »’offentlisch springt er an!«, rief Florence hinter mir her. »Aber pass auf mit deine Türban!«
    He? Als ich die Tür des alten Wagens aufschloss und mich hinter das Steuer klemmen wollte, blieb ich mit der aufgetürmten Spitze meines Handtuchs im Türrahmen hängen. Ich hatte das Frottiertuch auf meinem Kopf vergessen. Mit einem Ruck riss ich es mir vom Kopf, kramte ein Haargummi, von denen ich immer einige in meinem Umhängebeutel hatte, hervor und band meine feuchten Haare zu einem struppigen Zopf.
    Der Jaguar XJ war mindestens so alt wie ich und stand an 360 Tagen im Jahr in der Garage. Florence und Gerd hatten ihn gekauft, als Florence noch als Cellistin auf Tournee ging. Diese extrovertierte Frau sorgte jedes Mal für Aufsehen, wenn sie in ihren blumigen Gewändern aus ihrem Jaguar kletterte und ein riesiges Cello von der Rückbank hievte.
    »Mein eleganter Begleiter in Racing Green«, nannte Florence den Schlitten. Auch wenn sie ihn nicht oft fuhr, hegte und pflegte sie ihn mit geradezu mütterlicher

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