Cheffe versenken (German Edition)
…«
»Sondern?«, hakte sie spitz nach.
»Wir verstehen uns einfach nur gut. Mehr nicht.«
»Wenn Sie sich mit Herrn Tivendale so gut verstehen, dann werden wir beide dies hoffentlich auch tun. Mir ist egal, mit wem Sie sich in Ihrer Freizeit vergnügen. Auch für Herrn Bellersen ist das unerheblich. Ich kann Ihnen nur raten, trennen Sie Berufliches und Privates, denn wenn Herr Bellersen etwas davon mitbekommt, sieht es für Ihren Arbeitsvertrag nicht gerade rosig aus. Und dieser ganze Kündigungskram bedeutet für mich eine Menge zusätzlicher Arbeit.«
Frau Heyster erhob sich und öffnete ihre Bürotür.
Ich hievte mich aus dem Sessel und schritt hinaus. Die Tür flog hinter mir ins Schloss.
Ich pfefferte den Ordner auf meinen Schreibtisch, so dass Edith erschrak und zusammenfuhr.
»Meine Güte«, quiekte sie. »Schlechte Laune ist das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann.«
Dieses Gebäude war das Hauptquartier aller militanten Mimosen.
»Kannst du mir vielleicht verraten, was gestern mit dir los war?«, fragte sie.
Widerwillig erzählte ich ihr von meinem K. o. im Apothekergarten.
Mit einem lauten »In was für einer Welt leben wir bloß?« schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen. In ihrer Entrüstung hatte sie nicht an den Verbandsturban gedacht. Dieser bekam einen kräftigen Hieb und plumpste zu Boden. Ich hatte freie Sicht auf Ediths Haare. Besser gesagt, auf das, was von ihrer trendigen Frisur übriggeblieben war. Teile ihrer Kopfhaut waren verbrannt und von Krusten überzogen. Dazwischen lugten Reste roter Haarfussel hervor. Irgendwie erinnerte mich ihr Kopf an einen explodierten Mettigel. Ich sprang auf und hob den Verband auf.
Mit einem lauten Schluchzen riss sie mir den Turban aus der Hand, warf ihn sich schnell über den Kopf und rannte aus dem Büro.
Arme Edith. Ich beschloss, ihr nicht zu folgen. Es war schon peinlich genug, dass ich ihre Verletzungen gesehen hatte.
Der ganze Schlamassel wurde mir langsam zu viel. Ich griff zum Hörer und wählte mit zitternden Fingern Alans Büronummer.
»Wann und wo treffen wir uns heute Abend?«
»Warum so stürmisch, Trixi?«, fragte Alan hörbar überrascht.
»Keine Fragen, wo?«, gab ich verschwörerisch zurück.
»Ich verstehe zwar nichts, aber bitte: Ich hole dich um 19 Uhr ab, damit du nicht ausbüxen kannst. Moment, es klopft. Guten Morgen, Herr Bellersen … ja gern, setzen Sie sich … Dann bis heute Abend, Trixi. Und zieh dir was Schönes an. Ich freue mich schon.«
Was für ein Trottel! Bei dem Stichwort hatte ich eine Idee. Ich wählte eine zweite Nummer.
» Westfalenkurier , Heitkämper.«
»Hey, Simon! Trixi hier«, sprach ich in den Hörer.
»Das ist ja Gedankenübertragung«, rief er sogleich zurück. »Ich schreibe gerade einen Beitrag über weibliche Wrestler, und da musste ich an dich denken.«
Sein quiekendes Lachen klang wie eine Störung in der Leitung.
»Die Sache vor Berkenkötters Scheune tut mir immer noch leid. Wie kann ich das je wiedergutmachen?«, fragte ich versöhnlich.
»Mal überlegen, schöne Frau. Wenn du mich schon so direkt fragst«, fuhr er zögernd fort.
Ich verdrehte die Augen. Dieser Vollpfosten glaubte doch nicht ernsthaft an eine Wiederholung unserer missratenen Verabredung. Ich musste ihn schnellstmöglich in die Realität zurückkatapultieren. Schließlich brauchte ich einfach nur seine Hilfe, und ich wusste, wie ich die bekommen konnte.
»Weißt du was, Simon? Als ich hörte, dass du bei meinem Lieblingssender arbeitest, bin ich vor Neid fast geplatzt.«
Das war nicht mal gelogen.
Am anderen Ende vernahm ich ein stolzes Hüsteln.
»Das glaube ich dir gern«, gab Simon zurück.
»Und ich finde, du machst einen ganz tollen Job.«
Das war hundertprozentig gelogen.
»Du bist bei Antenne 102,5 gelandet und ich bei Bellersen. Da sind wir doch quasi Kollegen, nicht wahr?«, säuselte ich weiter. »Vielleicht sollten wir beide einfach mal unsere Erfahrungen austauschen – von Journalist zu Journalistin.«
»Klar, gern, immer. So wie ich dich kenne, hast du schon eine Idee, stimmt’s?«
Von Kennen konnte keine Rede sein, aber Simon hatte recht.
»Wie wäre es, wenn ich dich heute Nachmittag im Studio besuche?«
»Passt. Ich erwarte dich um 15 Uhr bei Kaffee und Kuchen. Bis dahin mache ich mich noch ein bisschen frisch«, witzelte Simon.
Nachdem ich aufgelegt hatte, kramte ich die Aufzeichnungen, die Rahel und Florence gemacht hatten, aus meiner Tasche und begann zu lesen.
Paul
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