Cheffe versenken (German Edition)
für ein schönes Foto«, begann Edith zu schwärmen. »Sieh doch nur, Benno – wie aus dem Ei gepellt.«
Ich fand, dass Rieken die deutlich bessere Figur machte, der alte Bellersen war stämmig und hatte Ähnlichkeit mit Heinz Erhardt. Aber das wollte Edith nicht hören. Einzig Bernold war einen Lacher wert. Er wirkte wie ein Fremdkörper neben den beiden Männern, hatte einen Fuß auf den armen Fisch gestellt und streckte seine Angel in die Luft.
»Weißt du etwas über Hans Riekens Tod?«
Die Gelegenheit war günstig. Wenn Edith mir Auskunft gab, könnte ich mir vielleicht den Besuch beim Radioschreck Simon sparen.
Doch Edith war nicht in Plauderlaune. Sie starrte unentwegt auf das Foto, so als führe sie gerade einen inneren Dialog mit ihrem alten Chef Benno.
»Ach ja, Hans, der war ganz nett. Ich hatte nicht viel mit ihm zu tun. Am Ende hatte der arme Kerl ziemliches Pech. Es gab ein Problem mit der Antenne. Er kletterte aufs Dach und rutschte ab. Mehr weiß ich auch nicht. Zum Glück hat Benno das nicht mehr miterlebt. Überhaupt kann Benno froh sein, dass er das alles hier nicht mehr mitbekommt. Es würde ihn zu sehr treffen. Wirklich!«
Da war sie wieder, die gute alte Edith. Ihre schonungslose Entrüstung blühte wieder auf, und ich war fast ein bisschen froh.
»Darf ich das Foto behalten?«, fragte sie. »Es ist eine wundervolle Erinnerung an die alten Zeiten. Ich wüsste nicht, wer Bennos Andenken hier sonst in Ehren halten sollte.«
Sie verdrückte eine kleine Träne und schien sichtlich gerührt.
»Vielleicht sein Sohn?«, antwortete ich. Übertreiben musste sie nun auch wieder nicht.
»Pah!«, blaffte Edith und lief langsam zu Höchstform auf. »Ich wünschte, alles wäre wie damals. Die Arbeitsbedingungen sind kaum noch auszuhalten, und krankhafte Kriminelle bedrohen unschuldige Menschen. Das ist doch nicht mehr lustig, oder?«
Edith schaute mich mit funkelnden Augen an. Sie hatte recht und brachte mich auf eine Idee. Ich beschloss eigenmächtig, das Foto zu kopieren und ihr das Original zu überlassen. Die Kopie heftete ich in den Ordner und war stolz auf meine gute Tat.
Um halb drei verabschiedete ich mich von Edith. Durch unseren nostalgischen Exkurs hatten wir wertvolle Arbeitszeit verloren und – wie üblich – das Mittagessen ausgelassen. Von mir aus konnte Edith auf die Nahrungszufuhr verzichten. Ich beschloss, auf dem Weg zu Simon einen kurzen Stopp an der Sandwichbar in der Fußgängerzone einzulegen. Gut gestärkt traf ich in den heiligen Hallen von Radio Antenne 102,5 ein.
Bei diesem Sender zu arbeiten, stellte ich mir wie das Paradies vor. Vielleicht konnte Simon mir helfen, dort nach Beendigung meines Bellersen-Jobs anzuheuern.
Ich klingelte, und eine kleine, blonde Frau öffnete die Tür.
»Herr Heitkämper hat schon viel von Ihnen erzählt.«
Mit flotten Schritten führte sie mich durch das Gebäude. Dabei konnte ich einen Blick in die einzelnen Studios erhaschen und war begeistert. Die Moderatoren arbeiteten im Stehen. Das war eindeutig mein Ding. Keine langweilige Sitzarbeit. Und dazu dieser Kick, live auf Sendung zu gehen. Ich beschloss, noch in diesem Leben als Radiomoderatorin wiedergeboren zu werden.
Wäre da nur nicht Simon – der geradewegs auf mich zugesprungen kam. Mit ausladendem Gebaren nahm er mich in die Arme und drückte mich an sich, als wäre ich eine seiner Silikongenossinnen. Mit einem Schaudern wurde mir wieder bewusst, wie weich und quabbelig er sich anfühlte. Sein Aftershave war mehrere Spuren zu würzig, und nun klebte der Geruch an meinen Haaren und meiner Kleidung.
»Trixi, meine Liebe, bitte nicht treten oder schlagen«, protzte er laut. »Keine Angst, ich habe meiner Kollegin Nina schon von unserem letzten Treffen erzählt. Darf ich vorstellen? Das ist Trixi, meine Ex und amtierende Boxgroßmeisterin.«
Er hob demonstrativ meinen linken Arm hoch, so als hätte ich gerade einen Kampf gewonnen.
»Hast du sie noch alle?«, funkte ich dazwischen und riss mich los.
Kollegin Nina schaute sich unsicher um und verabschiedete sich mit einem wortlosen Winker in eins der Büros.
»War nur ein Scherz. Du kennst mich doch, Trixi!«
Simon schien völlig ungerührt.
Ich versuchte, mich zu erinnern, warum ich mich in die Höhle des Peinlichkeitslöwen gewagt hatte.
»Wo können wir ungestört sprechen?«, fragte ich ihn direkt. Ich gab mir Mühe, professionell aufzutreten. Simon sollte auf keinen Fall auf die absurde Idee kommen, dass ich aus
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