Cheffe versenken (German Edition)
gar nicht so. Bernold neigt zu Überreaktionen.«
Dieser Hinweis kam eindeutig zu spät. Für mich war nichts mehr zu kitten.
»Vielen Dank, Herr Claassen. Wenn Sie wüssten, was vorgefallen ist, nähmen Sie Ihr Angebot zurück.«
Ich schaute ihn lange an. Seine sonst so strahlenden Augen schwiegen.
»Und ehrlich gesagt – die Arbeit in diesem Unternehmen ist lebensgefährlich. Das habe ich selbst erlebt.«
»Hätten Sie doch nur auf mich gehört«, bedauerte Claassen meinen Abschied.
Ich wusste nicht, was er meinte, nahm ihn aber ungeniert in den Arm.
»Meine liebe Trixi, ich werde Sie vermissen. Sie haben so viel Frische in den Verlag gebracht.« Mit diesem Kompliment zauberte Claassen ein schwaches Lächeln auf mein Gesicht.
»Können Sie mir einen Gefallen tun?«, fragte ich ihn. »Passen Sie auf Edith auf. Ich habe Angst, dass sie unter die Räder kommt. Gestern hatte sie angeblich einen Nervenzusammenbruch.«
»Keine Sorge, Edith ist zäher, als Sie glauben. Aber ich passe auf sie auf, das verspreche ich Ihnen.«
Ich schlurfte die Treppen hinab auf die Straße. Die Sonne gab ihr Bestes, doch ich spürte nichts.
Auf dem Weg nach Hause versuchte ich Alan zu erreichen. Sein Handy war ausgeschaltet. Weinend quasselte ich ihm auf die Mailbox und bat um Rückruf. Wenn ich nicht bald mit ihm sprach, drehte ich durch. Wo war er? Stand er mit ein paar Tütchen am Bahnhof und vertickte Koks, oder war er nach Bellersens Drohung direkt ausgewandert und saß in einem Flieger nach Galway? Warum hatte er mich nicht angerufen?
Ich schloss die Haustür auf, und etwas Wuchtiges versperrte mir den Weg. Ein großer Karton prangte mitten im Flur.
Bücher Sybille
Heulend brach ich auf der Treppe zusammen.
Als ich wieder einigermaßen vernehmungsfähig war, fand ich mich auf Florence’ Sofa wieder. Sie hatte mir eine bunte Häkeldecke umgelegt und hielt meine Hand.
»Was ist los, Mademoiselle? Gestern war deine Welt doch noch ’eile.«
Ein weiterer Weinkrampf schüttelte mich, und ich begann mit Satzfragmenten um mich zu werfen.
»Pleite – obdachlos – Godzilla – kranke Edith – Alan – dicke Lippen – alles kaputt – Simon spinnt – A-ha-laaan – Sybille töten – Mongolei!«
Rahel erschien auf der Bildfläche und warf vor Schreck ihre Schultasche in einen der großen Blumentöpfe.
»Rufen wir einen Krankenwagen«, schlug sie vor. »Oder Mama bringt eine Valiumspritze aus dem Krankenhaus mit!«
Sie rannte aufgeregt durch die Wohnung.
In meinem Dämmerzustand sah ich nur noch Umrisse.
»Trixi, wir müssen wissen, was passiert ist!«, ermahnte mich Gerd mit tiefer Stimme. Erst jetzt fiel ein erster Schockschleier von mir ab. Mit großer Mühe versuchte ich zu berichten. Florence drückte mich immer wieder an sich und verabreichte mir einen säuerlichen Tee. Die Wärme tat mir gut, und langsam taute mein schockgefrorenes Sprachvermögen wieder auf.
»Wir brauchen einen Plan«, beschloss Florence.
Ich verstand nicht, was sie damit meinte, doch Rahel begriff sofort.
»Erstens: Wir werden Alan finden, das schwöre ich. Zweitens: Wir müssen herausfinden, wie es Edith geht. Wenn sie wieder fit ist, geht es Trixi auch besser. Drittens: Bellersen und Strowe haben Dreck am Stecken. Da muss etwas unternommen werden. Und den toten Wiltmann haben wir auch noch auf dem Plan.«
Rahel wirkte irgendwie ratlos, aber aufzugeben kam für sie nicht in Frage – im Gegensatz zu mir, denn ich fiel plötzlich in einen tiefen, verzweifelten Schlaf.
»Wie scheiße ist das denn? Sind alle wie vom Erdboden verschluckt?«, meckerte Rahel. Ich lag noch immer auf dem Sofa, und Florence und Rahel saßen neben mir. Rahel hatte ihren Laptop auf dem Schoß und tippte wild darauf herum.
Florence diktierte: »Wir ’aben 5-mal versucht, Edith anzurufen. Rien – ohne Ergebnis. Im Kranken’aus ist sie auch nischt. Das ’at Betty über den Stationsleiter ’erausgefunden. Alan geht immer noch nischt an seine ’ändy. Ra’el war bei ihm zu ’aus, doch dort öffnet niemand die Tür. Oh, Trixi wird wach – meine Spezial-Baldrianrezept ’at gewirkt.«
Wie lange hatte ich geschlafen? Die beiden schienen fest entschlossen, mir zu helfen. Doch was sollte das noch bringen? Ich fühlte mich überflüssig – in diesem Haus und auf dieser Welt.
Um kurz vor sieben klingelte mein Handy mit einer unterdrückten Rufnummer.
»Frau Gellert?«
Es war eine bekannte Stimme, aber nicht die des anonymen Anrufers. Zum Glück hatte ich
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