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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Verletzungen des Opfers, die Folgen später Auffindung, die Spuren einer Autopsie, das hatte doch irgend wie mit dem Leben zu tun, aber der geschlossene Sack, durch den der Körper wie unter einer grauen Eisdecke durchschimmerte, vermittelte den Eindruck eines Todes, der vollkommen trostlos schien in seiner puren, schmucklosen Zweckmäßigkeit (zumindest für Menschen, die tagtäglich die Farben einer bunten Warenwelt einatmeten und denen kein halbwegs erträgliches Bild vom Jenseits gelang, weil sie sich eine Welt ohne vollgestopfte Supermarktregale nur schwer vorstellen konnten).
    Hantschk schob den Australier zurück in die Kühlbox. Ein Assistent mit oberschenkelhohen Fischerstiefeln, einem breiten Grinsen und von irgendeiner Droge geschwärzten Augen schob eine bedeckte Leiche in den Raum. Hantschk hob die Schutzdecke und warf einen vergnügten Blick auf seinen nächsten Kunden.
    »Na habedieehre, an dem Schädel hat sich einer ordentlich ausgetobt. Manche kriegen einfach nicht genug. Befürchte, den wird nicht einmal die eigene Frau identifizieren können.«
    »Es war seine Alte, die ihn so zugerichtet hat. Hat mit einem dreiarmigen Kerzenständer in seinem Gesicht herumgerührt. Eine couragierte Person, nicht wahr«, sagte der Assistent. Man konnte sehen, wie köstlich er diesen Umstand fand.
    »Na ja, meine Herren. Da sieht man es wieder, zu welchen Grauslichkeiten Frauen fähig sind. Ich könnte Ihnen da Sachen erzählen.«
    »Ein andermal, Doktor. Und danke für den Wein.«
     
    In der Halle, in der auch andere Unentschlossene standen, die das unmenschliche Treiben der Natur fürchteten, stellten sich Straka und Cheng neben ein Rauchverbotsschild und rauchten.
    »Was halten Sie von der Sache, Cheng?«
    »Nun, was soll ich davon halten. Soweit ich das beurteilen kann, hatte Ran keine Feinde, ich meine, was sein offizielles Umfeld betraf. Frau Edlinger hat zwar gewisse Drohungen ausgesprochen. Aber die Sache hat sich ja sehr zu ihren Gunsten erledigt.«
    »Und seine Freundin, die Gregor?«
    »Mag sein, daß ihn das ein wenig geschmerzt hat. Die lebt jetzt mit einem anderen Mann zusammen, Paul irgendwas, so ein Designer. Eigentlich ein Tischler, aber die heißen jetzt Designer.
    Doch die Sache war abgeschlossen, Ran hat das eingesehen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sie bedrängt hat und sie ihm deshalb eine Kugel zwischen die Augen jagt. Auch ihr Freund nicht. Tischler schießen nicht, Tischler stechen oder ertränken – meine Berufserfahrung. Bleibt eigentlich nur die mysteriöse Unbekannte, aber außer Ran hat die ja niemand gesehen. Vielleicht ein Phantasiegebilde. Vielleicht ein Mißverständnis. Vielleicht eine Figur von früher, aus einer Vergangenheit, die er verdrängte.
    Oder er hat mir einfach nicht die Wahrheit gesagt und sehr wohl gewußt, wer ihm die Freude an Bad und Bett verderben wollte. Da fällt mir übrigens ein, Ran hat doch eine Katze gehabt, einen schwarzen Kater, glaube ich. Wissen Sie, was aus dem Viech geworden ist?«
    »Nun, wir haben das auch bemerkt, Katzendosen, Katzenkiste, die üblichen Haare in der Wohnung. Aber von dem Tier keine Spur.
    Kann natürlich sein, daß die Katze während des Mordes bei einer offenen Tür hinaus ist. Von den Nachbarn hat sie keiner gesehen, aber was sehen die schon – vor lauter schwarzen Prospektverteilern keine schwarze Katze mehr. Die Katze wäre natürlich nicht unbedingt der Zeuge, auf den ich baue. Möglicherweise ist sie geflüchtet und hat sich verirrt, ist vielleicht längst überfahren worden. Andererseits – ungewöhnlich für eine Hauskatze. Die verstecken sich, und wenn alles ruhig ist, kehren sie wieder zurück. Wäre also nicht uninteressant, wo das Tier abgeblieben ist. Hat aber wohl nicht viel zu bedeuten.«
    Ein Mann in einem steifen, grauen Arbeitsmantel trat auf sie zu. Die paar Haare, die ihm hinter den Ohren geblieben waren, hatte er als feuchte, glänzende Lappen über die Glatze gelegt. Seine Krawatte war so eng um den Hals geschnürt, als wollte er durch das Bild der Strangulation seinen unbedingten Hang zu Disziplin und Ordnungstreue zum Ausdruck bringen. In sein auch nicht gerade abstinentes Gesicht hatte sich der Zorn gegraben, der Zorn, der den meisten Österreichern ihr unverwechselbares Aussehen verleiht. (Natürlich, überall auf der Welt gibt es zornige Menschen, aber im österreichischen Zorn hat sich Gott wiedergefunden. Dieser Zorn nährt sich selbst. Es ist der Zorn über die Erschaffung der Welt. Wenn

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