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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Café Prückel gefrühstückt hatte, als die Meldung gekommen war.
    Im Moment gehörten die Leichen dem Polizeiarzt Pfluger, entgegen allen Klischees und Realitäten ein strikter Antialkoholiker, zudem beinahe unbestechlich, dafür aber schwerer Hypochonder.
    Pfluger stand einige Meter von den Leichen entfernt; er galt als Meister der Ferndiagnose – er trat nie zu dicht an seine Leichen heran, um sich nicht irgendwelche Krankheiten einzufangen. Er kniff die Augen zusammen, klopfte sich auf die Oberschenkel und sagte mit zugespitzten Lippen: »No jo.«
    Das war das Zeichen für Straka. Er dankte Dr. Pfluger (ohne ihm zu nahe zu kommen oder gar die Hand zu reichen, schließlich wußte er um Pflugers Angst vor Streptokokken) und verabschiedete ihn. So lief das immer ab. Straka mußte lachen, wenn er im Fernsehen Krimis sah, in denen die Polizeiärzte im Dreck und im Blut knieten, an ihren Leichen herumzupften und mehr oder weniger verzweifelt Spekulationen über den Tathergang anstellten.
    Von Pfluger hatte er noch nie etwas anderes als ein »No jo« gehört, und das war auch gut so. Spekulieren konnte er selbst.
    Die beiden Revierinspektoren präsentierten Straka ihren Tatverdächtigen wie einen erlegten Hasen. Klar, daß dieser verschüchterte Inder in seinem knallgelben Plastikkostüm der letzte war, der hier ein Kapitalverbrechen sein eigen nennen konnte, aber die beiden Revierinspektoren waren ja nicht bloß gewöhnliche Rassisten, sondern auch kriminalistisch unterentwickelt. Straka dankte beiden, versprach, sie lobend in seinem Bericht zu erwähnen, und übernahm den Inder. Die Revierinspektoren salutierten und verließen das Hotel. Ihre rundlichen Polizistenhintern schaukelten in den milden Spätsommer hinaus.
    Straka dankte nun auch dem Inder für seine Kooperation, er könne nun gehen. Der Inder begriff nicht ganz (sein Deutsch war übrigens hervorragend, was man von einem Germanisten ja auch erwarten durfte), war aber heilfroh, daß man ihn laufen ließ.
    Nachdem das erledigt war, hatte Straka endlich Zeit, sich die Leichen anzusehen.
    »O mein prophetisches Gemüt! Ich habe es ja geahnt«, sagte er zu sich.
    Cheng stand auf und wollte zu Straka. Ein Polizist stellte sich ihm in den Weg.
    »Lassen Sie ihn durch«, rief Straka, »ohne diesen Mann sind wir nicht vollzählig.« Er sah Cheng von oben bis unten an, schüttelte den Kopf und meinte, daß er beim besten Willen keine neue Verletzung an Cheng entdecken könne.
    »Ich bin zu spät gekommen.«
    »Ach so. Deshalb unverletzt.«
    »Richtig«, sagte Cheng, den als unverletzt zu bezeichnen einem nebenstehenden Gruppeninspektor recht merkwürdig erschien.
    »Sie sollten doch noch im Spital liegen.«
    »Ich wollte Chaloupka besuchen«, sagte Cheng und erzählte Straka, was vorgefallen war.
    »Hat wohl keinen Sinn mehr, das Hotel jetzt abriegeln zu lassen.«
    »Richtig«, bestätigte Cheng, der sich müde und ausgelaugt fühlte, und verletzt – in mehrfacher Hinsicht. Was ihn nun aber aus seiner Lethargie riß, war die Eröffnung Strakas, daß es sich bei Henry um den ehemaligen australischen Botschafter in Österreich H.P. Thomson handle. Ein Diplomat, das sei schlimm genug, aber unglücklicherweise sei Thomson vor einem Monat von seiner Partei in die Politik zurückgeholt worden und werde seither als ein möglicher Spitzenkandidat für die nächsten Wahlen zum Repräsentantenhaus genannt. Er sei als Privatmann nach Wien gereist, niemand hatte eine Ahnung davon, nicht einmal sein Sekretär, der nur etwas von einem angeblichen Urlaub wissen wollte.
    »Sie können sich vorstellen, Cheng, was das bedeutet. Ich werde nicht die geringste Chance haben, halbwegs vernünftig zu arbeiten. Weisungen von ganz oben, diplomatische Rücksichtnahmen, interne Querelen. Mein geliebter Hofrat Preisinger wird mir ellenbogenlange Handschuhe aus weißem Nappa überziehen.«
    Cheng schlug sich gegen die Stirn (mit seiner unsichtbaren Linken natürlich) und erklärte Straka, daß ihm der Name des Australiers nicht unbekannt sei. Thomson sei mit Ranulph Field befreundet gewesen, und dieser Thomson sei es gewesen, der damals mit der Frau Professor Edlinger liiert gewesen war, wobei er sich nicht vorstellen könne, daß die Edlinger etwas mit der Sache zu tun habe.
    »Kaum«, sagte Straka und wartete ab, bis der Fotograf vom EKD sich ausgeknipst hatte, dann zog er sich milchigweiße Plastikhandschuhe über und trat in den Fahrstuhl. Cheng folgte ihm.
    »Ich dachte, Sie verwenden

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