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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Junge wurde ein Stückchen größer, und Richard wusste, es kam daher, dass er sich freute. Er freute sich über Richards Freundlichkeit, er freute sich darüber, dass er wahrscheinlich die eine oder andere Münze in die Hand gedrückt bekommen würde. Und er freute sich auch, weil ein so vornehmer Mann wie Richard sich überhaupt an seinen Namen erinnerte. »Ich muss nach St. Sebald«, beantwortete Richard bereitwillig die Frage. »Der neue Lochschöffe hat um eine Unterredung gebeten.«
    Benedikt kratzte sich unter seiner Mütze am Hinterkopf. »Was ist denn ein Lochschöffe? Ist das das Gleiche wie ein Bürgermeister?«
    »Nein. Und ja.« Richard überlegte, wie er das Ganze erklären konnte, ohne den Eindruck zu erwecken, er halte den Jungen für dumm. Benedikt war alles andere als das, aber er war auch bemerkenswert ungebildet, obwohl er ein helles Köpfchen hatte und flinke, wachsame Augen.
    »Der Rat von Nürnberg besteht aus ziemlich vielen Männern«, sagte er und hielt kurz inne, um nachzudenken. »Sie alle nennt man Bürgermeister. Und einige dieser Bürgermeister haben besondere Aufgaben, wie zum Beispiel der Lochschöffe. Er ist dafür zuständig, Verbrechen zu untersuchen, die auf dem Boden der Stadt passieren. Unter anderem.«
    Benedikt ließ die Hand sinken. »Dann ist also ein Lochschöffe gleichzeitig ein Bürgermeister.«
    »Genau!«
    »Aber nicht jeder Bürgermeister ist Lochschöffe.«
    »Auch richtig.«
    Benedikt nickte bedächtig. »Klar. Und dieser Lochschöffe hat Euch zu einem Treffen gebeten?« Unbewusst wanderte seine Hand schon wieder nach oben zu seinem Kopf.
    »Auch das stimmt, ja.«
    Da grinste der Junge. »Kommt davon, weil Ihr’n wichtiger Mann seid«, vermutete er und kratzte sich erneut am Kopf.
    Richard entging das nicht. »Hast du dir schon wieder Flöhe eingefangen?«
    Benedikt zuckte die Achseln. »Möglich. War gestern Abend bei meinem Bruder Gabriel zu Besuch.«
    Richard verzog das Gesicht. Er wusste, dass Gabriel Dengler der Lochwirt, also der Aufseher des Nürnberger Gefängnisses war. Im Gegensatz zu Sebald Groß, seinem Vorgänger, war Dengler ein schmutziger, unangenehmer Geselle, der sich keinen Deut um das Wohlergehen der armen Seelen scherte, die ihm anvertraut waren. Sogar sich selbst vernachlässigte er so stark, dass es kein Wunder war, wenn sein jüngerer Bruder sich bei ihm Flöhe, Läuse und wer wusste, was noch, einfing.
    »Hast du eine Lampe zu Hause?«, fragte Richard. »Eine Talglampe oder so was in der Art?«
    Benedikt nickte. »Ja. Wieso?«
    »Warte einen Moment!« Richard ging noch einmal die Stufen zu seiner Haustür auf, öffnete sie und kehrte zurück ins Innere seines Hauses.
    »Herr Sterner?« Thomas trat ihm entgegen »Habt Ihr etwas vergessen?«
    Wie immer, wenn Richard seinem Diener ins Gesicht blickte, musste er an dessen früheren Herrn denken. Und an die Engelmorde. Er schüttelte diese Gedanken ab. »Nein.«
    »Kann ich Euch irgendwie behilflich sein?«, fragte Thomas, während Richard schon auf dem Weg die Treppe hoch und zu seiner Schlafkammer war.
    »Nein, danke, Thomas. Ich komme schon zurecht!«, rief Richard. Er betrat seine Schlafkammer, bückte sich unter das Gestell, auf dem er sein Waschgeschirr stehen hatte. Dort lagen zwei faustgroße, inWachstuch eingepackte Kugeln. Richard nahm eine davon, wickelte sie aus und kratzte mit seinem Dolch eine Handvoll Flocken davon ab. Diese Flocken hüllte er in ein Stück des Wachstuches, das er zu diesem Zweck von der Ecke abschnitt. Dann steckte er seinen Dolch wieder in den Gürtel und kehrte nach draußen zu Benedikt zurück. Diesmal achtete er nicht darauf, ob Thomas die Haustür hinter ihm schloss. Er war sich jedoch sicher, dass es geschehen würde. Thomas war ein guter Diener.
    »Hier.« Richard gab Benedikt das kleine Wachspäckchen. »Das ist Seife.«
    Der Junge starrte verständnislos darauf.
    »Es dient dazu, sich zu waschen«, erklärte Richard ihm geduldig. Es war nicht verwunderlich, dass Benedikt sich damit nicht auskannte, denn Seife war ein kostbares Gut, das sich nur sehr wohlhabende Menschen leisten konnten.
    Benedikt rümpfte die Nase, und Richard lachte. »Keine Sorge, du sollst es zu anderen Zwecken benutzen. Nimm eine flache Schale, deine Essensschale oder etwas ähnliches. Fülle sie mit Wasser und gib diese Seifenflocken dort hinein. Dann rühre alles gut um. Es wird sich Schaum bilden. Platziere einen Krug in die Mitte der Schale, so dass du deine Talglampe

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