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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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entlang! Kommt bitte!« Mit kurzen, eiligen Schritten lief er vor Katharina her.
    Aurelia saß wie zuvor in ihrem winzigen Gelass an der Klosterpforte und nieste vor sich hin. Diesmal schien sie nicht besonders erleichtert, Katharina zu sehen, sondern starrte ihr nur finster entgegen. Offenbar gab sie ihr die Schuld für die Zurechtweisung, die sie von der Priorin erhalten hatte.
    »Frau Jacob möchte das Kloster verlassen«, sagte Johannes.
    Die Nonne nickte knapp. Dann stand sie auf, öffnete die Pforte und sah Katharina einfach nur an.
    »Ich danke Euch!« Katharina nickte Johannes einen Abschiedsgruß zu. Sie trat auf die Gasse hinaus und wartete, bis Aurelia die Pforte hinter ihr wieder ins Schloss fallen ließ.
    Doch statt des entsprechenden Geräuschs hörte sie Johannes’ Stimme leise sagen: »Frau Jacob?«
    Widerstrebend nur wandte sie sich um. »Ja?«
    »Im Kloster an der Burgstraße«, sagte er zögernd. Das Kloster an der Burgstraße war sein eigenes.
    Katharina wartete, dass er weitersprach. Die Magenschmerzen, die vorhin aufgetaucht waren, verstärkten sich langsam.
    »Die Leiche, die Raphael Krafft gefunden hat, sie war nicht die einzige. Es gab eine weitere, und die hat man zu uns ins Kloster gebracht. Heute früh. Ich vermute, mit der anderen wird man das auch noch tun, aber diese zweite, die im Kloster ... ich ...«
    Er verhedderte sich, aber er musste auch nicht weiterreden, Katharina konnte ihm ansehen, was er sagen wollte.
    Auch diese zweite Leiche, die im Kloster, war verstümmelt gewesen.
    Sie sah Johannes’ Kehlkopf auf- und abrucken. »Keine Flügel diesmal, dem Herrn sei Dank!«
    Katharina nickte nur.
    »Aber ...« Er unterbrach sich, weil sie ihn warnend anblickte. Dann senkte er den Kopf. »Sieht so aus, als ginge es von vorn los«, flüsterte er.
    Nachdem Aurelia die Tür hinter ihr ins Schloss fallen lassen hatte, stand Katharina einen Moment lang unschlüssig in der Gasse und starrte auf das eisüberzogene Pflaster zu ihren Füßen.
    In ihrem Kopf kreisten die Gedanken. Was hatte Johannes gesagt? Wo hatte man die verstümmelte Leiche gefunden?
    In einer Ruine an der Frauentormauer. Dieselbe Ruine, die Heinrich als Versteck diente. Katharina zog den Kopf zwischen die Schultern, weil ihr über alle Maßen kalt war.
    Sie hatte Heinrich gestern Nacht nicht angetroffen. Konnte es sein ...?
    Ihr Kopf weigerte sich schlichtweg, diesen Gedanken zu Ende zu denken, doch ihr Körper war ihr längst einen Schritt voraus. Ohne dass sie es verhindern konnte, trugen ihre Füße sie die Gasse entlang in Richtung Marientorgraben und von dort aus immer im Schatten der Stadtmauer entlang bis zum Beginn der Straße, die den Namen »An der Frauentormauer« trug. Die Stadtwachen oben auf den Zinnen hatten dick wattierte Röcke über ihre Uniformen gezogen, so dass sie wirkten, als seien sie auseinandergegangen wie ein Sauerteigklumpen in der Nähe eines warmen Ofens.
    Einer der Männer beugte sich über das Geländer seines Gangabschnitts und grinste Katharina anzüglich von oben herab an. Katharina beachtete ihn nicht. Zu sehr war sie in ihren Gedanken gefangen.
    Die Brandruine, die sie zum Ziel hatte, glich jetzt bei Tageslicht dem verkohlten Skelett eines vorsintflutlichen Tieres. Schwarze Balken ragten kreuz und quer in die Höhe wie Rippen, und dazwischen lag der Schutt der angesengten Steine zu großen Haufen aufgeschichtet. An einigen Stellen sah Katharina glitzernde Scherben inden Trümmern. Überreste von im Feuer geborstenen Scheiben. Das Blei, das sie einst zusammengehalten hatte, war geschmolzen und zu dicken Tropfen ausgekühlt, die wirkten wie Tränen.
    Das alles nahm Katharina jedoch nur am Rande wahr. Was ihre Aufmerksamkeit auf sich zog, war der Mann, der inmitten all der Trümmer stand. Er hatte das Kinn hoch erhoben und den Blick in die Ferne gerichtet, und er sah bei weitem nicht so aus, wie eine Wache in Katharinas Vorstellung auszusehen hatte. Dieser Mann, das war überdeutlich, fürchtete sich vor dem, was er hinter seinem Rücken wusste und was er bewachen sollte.
    Vorsichtig verließ Katharina das Pflaster der Gasse und trat zwischen die verkohlten Balken. Unter einem musste sie sich hindurchbücken, bis sie die freie Stelle in der Mitte erreicht hatte, auf der der Mann Wache stand.
    Sein Blick heftete sich auf sie. »Was wollt Ihr hier?«
    Katharina musste sich räuspern, bevor sie antworten konnte. »Ich suche jemanden«, erklärte sie. Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren

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