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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Geborgenheit finden könnte. Sie würde ihn mit warmherzigen Blicken ansehen, und vielleicht gelang es ihm ja, wenigstens für eine Weile zu vergessen, dass er sie anschließend dafür würde bezahlen müssen.
    »Ihr seid so bescheiden!« Ingas Augen glänzten vor Begeisterung.
    Nur ein wenig Bewunderung bekommen, flüsterte eine leise, aber eindringliche Stimmte hinten in Richards Kopf. Für ein paar Stunden alles andere hinter sich lassen ...
    »Ihr solltet zurück zu Euren Freundinnen gehen«, hörte er sich sagen. Seine Hand deutete auf den Tisch, an dem die anderen Huren saßen. »Ich bin kein guter Fang für Euch, glaubt mir!«
    Er meinte ein leises, spöttisches Schnauben zu hören. Und eine andere, ihm so überaus vertraute Stimme sagte in seiner Erinnerung: »Sie sind Huren, Richard! Du machst dich zum Idioten, wenn du sie behandelst wie Damen!«
    Richard schloss die Augen. Arnulf! Allzu gern hätte er seinen Freund jetzt hier bei sich gehabt, aber Arnulf war ein Nachtrabe, ein Angehöriger der Nürnberger Unterwelt, und er verkehrte nicht in Lokalen wie dem Roten Ochsen .
    Enttäuscht begriff Inga, dass sie bei Richard auf Granit biss. »Schade!«, murmelte sie und stand auf. »Wir hätten Spaß gehabt, glaub mir!«
    »Davon bin ich überzeugt«, versicherte er ihr und sah zu, wie sie zu ihrem alten Platz zurückkehrte, sich daraufplumpsen ließ und begann, auf die anderen Frauen einzureden. Er wollte gar nicht wissen, mit welchen Ausdrücken sie ihn belegte, aber als sie einen zornigen Blick in seine Richtung abschoss, knirschte er doch mit den Zähnen.
    Der Wirt kam und stellte ihm sein Essen und das bestellte Bier hin. Richard dankte ihm, dann machte er sich über beides her, auch wenn ihm der Appetit eigentlich vergangen war.
    Während er aß, wanderte sein Blick zu einem anderen Tisch ganz in seiner Nähe hinüber. An ihm, unter einem Sturz, an den ein großes Wappenschild mit einem schwarzen Ochsen daraufgenagelt war, hockten drei Männer, von denen Richard nur einen kannte. Es handelte sich um Bürgermeister Mullner, einen für sein hohes Amt noch recht jungen Mann, der sein dunkelblondes Haar streng gescheitelt trug und auf beiden Seiten hinter die Ohren gesteckt hatte, so dass deutlich zu sehen war, wie sehr diese abstanden. Bei ihm am Tisch saßen zwei Ältere, von denen der eine ein ungesund rotes Gesicht und eine dicke Schweißschicht auf der Stirn hatte und der andere sich ständig am Hals und im Nacken kratzte, wo sich seine Haut unter einem hässlich aussehenden Ausschlag schuppte.
    »... Gesetz dagegen erlassen«, hörte Richard den Schwitzenden sagen.
    Die Männer bemerkten, dass Richard auf ihr Gespräch aufmerksam geworden war, und Mullner warf ihm einen fragenden Blick zu. »Was sagt Ihr dazu, Sterner?«
    Richard runzelte die Stirn. »Ich bin nicht ganz sicher, ob ich weiß, wovon die Rede ist.«
    »Von den jüdischen Geldverleihern natürlich!«, erklärte Mullner.»Der Stadtrat beobachtet mit Sorge, dass immer mehr einflussreiche Männer in Situationen geraten, die sie dazu zwingen, Geld bei Juden aufzunehmen.«
    »Das dürfte wohl kaum Euer Problem sein, oder?«, mischte sich der Kerl mit dem Ausschlag ein. »Richard Sterner, nicht wahr? Es heißt, es gibt kaum einen Mann außerhalb des Rates, der ein Vermögen in der Größe des Euren besitzt.«
    Richard unterdrückte ein Lächeln. Unverbindlich zuckte er die Achseln. Der Mann hatte wahrscheinlich recht, aber Richard bildete sich nicht besonders viel auf sein Geld ein.
    »Würde gern wissen«, schob der Mann mit dem Ausschlag nach, »wie Ihr in den Besitz Eures Wohlstandes gekommen seid!« Er klang ein wenig gehässig, so, als sei er neidisch.
    »Ein einträgliches Erbe«, erklärte Richard. »Einige Ländereien im Languedoc und einige in der Toskana, die mein Vater mir vererbt hat.«
    Mullner lachte auf. »Sagte ich nicht neulich, dass Sterner ein seltsamer Kauz ist?« Er rückte seinen Stuhl ein Stück zur Seite, um Richard mit dieser Geste in ihre Runde einzuladen.
    Richard verspürte eigentlich keine große Lust, sich den Männern anzuschließen, aber er wusste auch, wie unhöflich es wirkte, wenn er jetzt sitzenblieb. Also nahm er seinen Stuhl und schob ihn an den Tisch der anderen. »Komischer Kauz?«, fragte er. Dann holte er auch noch sein Essen herüber und setzte sich.
    Mullner grinste entschuldigend. »War nur so dahergesagt. Ich meinte damit: Welcher vernünftige Mann, der größere Ländereien in Italien hat, zieht es

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