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Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Bergmann
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– warf er in beruhigendem Ton ein Ja-natürlich-Schatz, Freilich-Gabi, Ich-verstehe-dich-ja und Das-sollten-wir-wirklich-machen ein. Gerda, deren Tisch im rechten Winkel zu seinem stand, hob gelegentlich den Blick von ihrem Monitor, blinzelte ihm zu und spitzte ihre hübschen Lippen zu einem Kussmund. Er richtete dann seinen Blick zur Decke oder hob die Hände – was sollte er denn tun?
    Sein Interesse galt Exoplaneten, der Veranschaulichung großer Zahlen und – aus tiefer Neigung – den Frauen. Seine Ängste umfassten alles andere. Ordinäre Sorten wie Platz- und Höhenangst, aber auch sehr extravagante, die einem den ganz gewöhnlichen Alltag zur perfekten Hölle machen können.
    Gerda mochte ihn. Gelegentlich nannte sie ihn ihren kleinen Italiener, natürlich nur in privaten Stunden. Und der kleine Italiener als Klischee stimmte. Obwohl seine Familie seit vielen Generationen in Wien lebte. Ebenso gut hätte Vanetti gerade einem Zug aus Neapel entstiegen sein können. Dunkler Teint, dunkle Augen, schwarze Haare, mittelgroß, schlank. Sehr erstaunlich, denn sie hatte Fotos seiner Eltern gesehen, die eine ganz durchschnittliche Wiener Melange zeigten. Ein bisschen von da, ein bisschen von dort, wie es sich halt ergeben hatte in diesem mitteleuropäischen Schmelztiegel, in dem über die Jahrhunderte vieles zusammen geflossen war aus allen Himmelsrichtungen. Bei Ernst Vanetti drangen zumindest äußerlich alle Gene seiner italienischen Vorfahren wieder durch. Nur von ihrem Temperament hatte er nichts geerbt. Stattdessen sammelte er Phobien wie andere Briefmarken. Sein Leben war ein steter, verzweifelter Überlebenskampf.
    Er machte der wütenden Gabi verschiedene Zusagen, die er bereits bitter bereute, noch während er sie aussprach. Halbwegs zufriedengestellt beendete sie endlich das Gespräch.
    „Du Tapferer“, murmelte Gerda, scheinbar in eine Tabelle vertieft.
    Er seufzte nur und widmete sich einem Aufsatz, den er für ein Schulmagazin verfasste. Es hatte unter allen in Frage kommenden Wissenschaftlern des Instituts ihn getroffen, weil solche Dinge immer ihn trafen.
    ‚Welche Mengen kann man sich bildlich vorstellen? Schließen wir die Augen. Stellen wir uns einen Apfel vor. Das ist einfach. Stellen wir uns 5 Äpfel vor. Einfach. 10 Äpfel. Geht noch. 100 Äpfel in 10 Reihen a 10 Äpfel. Die Äpfel werden kleiner und als individuelle Objekte unbedeutender. 10.000 Äpfel, das Quadrat von 100 mal 100 Äpfeln. Jetzt sind es keine Äpfel mehr, sondern Punkte. Und wir stellen uns keine echte Lagerfläche mehr vor, wir wechseln zur abstrakten Zahl. 1000 mal 1000 Äpfel? Eine Million mal eine Million? Optisch unvorstellbar. Nur eine riesige undefinierte Apfelfläche. Aber mit abstrakten Zahlen ganz einfach handhabbar. 10 12 , ein Einser mit 12 Nullen. Oder eine Billiarde mal eine Billiarde, 10 30 , ein Einser mit 30 Nullen. Auch das ist ganz einfach. Nur hat es sich losgelöst von dem, was wir bildhaft begreifen. Deshalb ist uns der Unterschied zwischen 10 12 und 10 30 auch nicht in seiner tatsächlichen Dimension erkenntlich. Wir sehen eine Differenz von 18 Nullen. Was sind schon 18 Nullen? Wenn wir aber 10 12 gleichsetzen mit einer Strecke von einem Meter, entspricht 10 30 im Vergleich dazu der Entfernung, die das Licht in 105 Jahren zurücklegt. Das ist ein ziemlich weiter Weg, wenn man bedenkt, dass es von unserer Sonne bis zur Erde nur etwa 8 Minuten benötigt.‘
    Würde das ein Schüler verstehen? Vanetti hatte seine Zweifel. Kann man dem Bewohner eines Alpentals die Wasserfläche des Pazifiks in ihrer Ausdehnung begreifbar machen? Die Zusammenhänge zwischen unvorstellbar großen Zahlen und zugeordneten Wahrscheinlichkeiten sind noch schwerer vermittelbar.
    Zum Beispiel die Möglichkeit von außerirdischem Leben. Ein Thema, das ihn seit frühesten Kindheitstagen fesselte. Die Großartigkeit des Universums, seine schiere Größe und die unfassbare Menge seiner Sonnen, überwältigten ihn immer aufs Neue. Alle Zweifel an der Wahrscheinlichkeit außerirdischen Lebens, führte er auf jene unfassbaren Zahlen zurück, die sich der menschlichen Vorstellungskraft einfach entzogen. Er wusste nicht, ob er über eine bessere Vorstellungskraft verfügte. Er wusste, dass die großen Zahlen bei ihm jedenfalls zum gegenteiligen Schluss führten. Höchst unwahrscheinlich erschien ihm angesichts dieser Zahlen die Hypothese, dass ausgerechnet das kosmische Mikropartikel Erde alles Leben des fast unendlichen Universums an

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