Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)
Zwei Häuserblocks, dann rechts, dort stand sein Volvo.
„Ein Oldtimer“, murmelte der Agent grimmig und glitt auf den Beifahrersitz, während Chiara und Elena im Fonds Platz nahmen und Vanetti startete. Zentimeterweise bewegte er den Wagen vor und zurück, um der engen Parklücke zu entkommen. Donahue zeigte erstmals Anzeichen von Ungeduld. Endlich kam der Volvo frei und begann im Kriechgang voran zu rollen.
„Was ist?“ fragte der Agent. „Kommt er nicht auf Touren?“
Vanetti saß in verkrampfter Haltung auf der Kante des Fahrersitzes, den Oberkörper nach vorne gebeugt, weit weg von der Rückenlehne, und blickte äußerst konzentriert nach vorne. Ein Wagen hupte und überholte sie. Mike wiederholte seine Frage. Ohne den Kopf zu bewegen, antwortet Vanetti: „Wieso? Es ist doch alles in Ordnung. Abgesehen davon, dass ich getrunken habe.“
Mit größter Gewissenhaftigkeit bog er ab und beschleunigte wieder auf knappe 25 km/h.
„Wenn alles in Ordnung ist“, rief Donahue, „warum fahren Sie dann nicht endlich los?“
„Ich fahre doch!“ zischte Vanetti zurück. „Und schreien Sie mich nicht an, das ist gefährlich.“
„Wir sollten etwas schneller fahren, Ernst“, sagte Chiara. „Ist das möglich?“
Tatsächlich erhöhte sich ihre Geschwindigkeit ein wenig. Längst nicht genug allerdings für die kleine Autoschlange, die sich bereits hinter ihnen gebildet hatte.
„Das reicht nicht“, sagte der Amerikaner. „Wir verursachen ja einen Stau.“
Ohne Vorwarnung stellte er seinen linken Fuß auf Vanettis Schuh und drückte kräftig aufs Gaspedal. Der Wagen machte einen Sprung nach vorn. Vanetti ließ das Lenkrad los und schlug die Hände vors Gesicht.
„Was machen Sie denn?“ schrie Mike. Er griff seitlich ins Lenkrad und bewahrte sie vor einem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Bus. Anschließend lenkte er den Wagen an den Straßenrand. Der Motor starb ab. Sie standen.
„Wir machen es richtig gut“, sagte er sarkastisch. „So unauffällig wie nur möglich.“
Er stieg aus, ohne sich um die Blicke aus den vorbei fahrenden Autos zu kümmern. Er öffnete die Fahrertür. „Rücken Sie rüber. Ich fahre.“
Vanetti, bleich und stumm, tat es. Mike startete und fuhr zügig los.
„Was hat der komische Mann?“ fragte Elena.
„Angst“, erwiderte Chiara.
Elena dachte an die vergangene Stunde und legte schützend ihre Arme um die Brüste. „Die hatte ich auch.“
„Das meine ich nicht“, sagte Chiara. „Er hat Angst vorm Autofahren.“
„Du glaubst, er ist ein Spinner?“ erkundigte sich Elena, augenblicklich interessiert.
Ehe Chiara antworten konnte, drang Vanettis Stimme schwach nach hinten.
„Ich bin kein Spinner. Es ist eine Phobie. Wo sind wir überhaupt?“ fügte er auf Englisch hinzu.
Er sah nicht, dass Elena verständnisvoll nickte und sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe tippte.
„Ich hoffte, Sie können es mir sagen“, antwortete Donahue. „Wenn Sie mir die Route nicht ansagen, muss ich mein GPS einschalten. Und dabei kann ich unmöglich auf den Verkehr achten. Es wäre also besser, wenn Sie die Augen öffnen würden.“
„Das kann ich nicht“, erklärte Vanetti. „Sie rasen.“
„Okay“, seufzte der Agent. „Da vorn kommt eine rote Ampel. Wenn Sie die Augen aufmachen und mir sagen, wo wir sind, halte ich an. Wenn Sie es nicht tun, fahre ich weiter.“
Vanetti riss die Augen auf. „Das ist die Liechtensteinstraße. Ich sehe keine rote Ampel. Sie haben mich belogen.“
„Tut mir Leid. Ich kann Ihnen jetzt nicht erklären, woher ich das weiß, aber wir sollten möglichst rasch aus der Stadt hinaus, am besten Richtung Salzburg.“
Vanetti presste seine Finger gegen die Schläfen.
„Sie durchbrechen gleich die Schallmauer. Wie soll ich dabei denken?“
Der Agent seufzte erneut und verringerte das Tempo ein wenig.
„Geht es jetzt?“
„Wir müssen auf den Gürtel. Bei der nächsten Ampel links. Vorne wieder links. Achtung! Die haben Vorfahrt!“
„Da war genügend Platz für eine ganze Kolonne“, knurrte Donahue. „Und Sie hätten ja auch selbst fahren können.“
„Das dauert jetzt eine Weile“, sagte Vanetti und wirkte etwas entspannter.
Chiara meldete sich vom Rücksitz.
„Wieso Richtung Salzburg, Mike? Was haben wir eigentlich vor?“
„Das ist die Frage. Was haben Sie vorgehabt?“
Chiara und Elena blickten sich an. Was hatten sie vorgehabt? Vanetti warnen, den Schlüssel finden, herausbekommen wo Antonio sich aufhielt
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