Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)
ähnlich dem Platzen einer Kaugummiblase, nur leiser, drang vom Vorraum her an ihr Ohr. Der Blonde taumelte von Elena weg und ließ das Messer fallen. Er stürzte zur Seite, brach im Fallen die Beine eines umgeworfenen Tischchens ab und blieb regungslos liegen. Sein blondes Haar färbte sich rot. Der Bandenchef und der Stupsnasige reagierten augenblicklich und wirbelten zum Eingang. Das Geräusch von vorhin wiederholte sich zweimal so rasch hintereinander, dass es zu einem einzigen Doppel-Plopp verschmolz. Der Stupsnasige brach zusammen wie sein Komplize und rührte sich nicht mehr. Sein Boss ließ die Pistole fallen und betrachtete staunend seine blutende Hand ehe er wieder den Kopf hob. Ein schlanker, blonder Mann im grauen Geschäftsanzug trat in den Raum. Lässig wippte er mit seiner ungewöhnlich langen Waffe. Chiara hatte noch nie einen Schalldämpfer gesehen, ihr Retter musste gerade einen benutzt haben. Sein Blick streifte ohne ein Zeichen der Verwunderung über die verwüstete Wohnung und die Gesellschaft, die ihn anstarrte wie einen Alien.
„Hi“, grüßte er so beiläufig, als sei eben zu einer Party im Freundeskreis gestoßen. „Hoffe, ich bin nicht zu spät.“
Er sprach Englisch mit starkem amerikanischem Akzent. Chiara schüttelte wortlos den Kopf, dann eilte sie zu Elena und löste ihren Knebel. Sie würgte das Taschentuch heraus und begann zu spucken. Tränen strömten über ihre Wangen.
„Dieses perverse Schwein!“ schimpfte sie. „Der Fetzen war getränkt mit, mit seinem ...“ Sie brachte nicht über die Lippen, was sie meinte. „Dieses verdammte, perverse Schwein!“
Sie spuckte noch mehrmals aus, richtete ihren Blick auf den Leichnam des Blonden und stellte mit tiefer Befriedigung fest: „Er ist in der Hölle, das ist gut.“
Der Amerikaner stand unmittelbar vor dem Schwarzbärtigen, der ihn um einen halben Kopf überragte.
„Umdrehen“, sagte er und unterstützte seine Worte mit einer Bewegung des Pistolenlaufs. Sein Gegner schwankte noch zwischen Überraschung, Schmerz und Hass. Für einen Moment schien es, als ob er sich zu einem blinden Angriff hinreißen ließe. Vielleicht lag es mehr am verbindlichen, aber vagen Lächeln seines Kontrahenten als an der Drohung, dass er der Aufforderung doch folgte.
„Danke“, meinte der Neue höflich. Er warf den Frauen einen um Verständnis bittenden Blick zu, packte seine Waffe am Lauf und schlug den Kolben hart auf den Hinterkopf des vor ihm stehenden Mannes, der wie ein gefällter Baum nach vorne stürzte und halb auf dem Sofa zu liegen kam.
Dr. Vanetti befand sich in einem nie zuvor erlebten Zustand seltsamer Leichtigkeit. Er saß in seiner zerstörten Wohnung, um ihn herum lagen zwei Tote und ein Bewusstloser, auf dem Sessel, den seine Mutter für Näharbeiten verwendet hatte, saß eine halbnackte Frau, die aus kleinen Wunden blutete und soeben von einer anderen Frau von ihren Fesseln befreit wurde, ein gut gekleideter Fremder durchsuchte in aller Ruhe jene Männer, die er selbst erschossen oder niedergeschlagen hatte, peinlich bemüht, seinen Anzug nicht mit dem Blut zu beflecken, dass er gerade vergossen hatte ... Eben drückte er ihre Fingerkuppen auf den Screen eines handyähnlichen Geräts.
Das alles geschah in seinen privaten Räumen, in seinem Wohnzimmer, das noch nicht einmal die falschen Leichen von Kriminalfilmen gesehen hatte, weil er Fernsehen nicht ausstehen konnte.
Er fühlte sich wie berauscht. Mit Mühe unterdrückte er das Verlangen, einfach laut loszulachen. Den Bauch hätte er sich halten können vor Lachen, doch war das bestimmt nicht angebracht. Dennoch, alles erschien ihm zu witzig, aberwitzig witzig. Er gluckste leise vor sich hin.
Eine Stimme erreichte sein Ohr.
„Signor Vanetti, Signor Vanetti!“
Die hübsche Blondgelockte – Chiara Fontana – hielt ihm ein Glas an die Lippen. Dankbar trank er. Es war sein eigener Wodka. Er trank das ganze Glas in einem Zug leer.
„Danke“, keuchte er. Der Fremde tauchte in sein Blickfeld.
„Guten Tag, Sir“, sagte er. „Mein Name ist Mike Donahue. Ich gehöre einer Spezialeinheit der US-Regierung an.“
Vanetti schüttelte die angebotene Hand und wunderte sich über die Nerven eines Manns, der sich formvollendet vorstellte, obwohl er vor nicht einmal zehn Minuten zwei Menschen getötet hatte. Wofür er in diesem Fall allerdings dankbar sein musste.
„CIA?“ erkundigte er sich schwach. Donahue lächelte.
„Das ist ein geselliger Verein. Wir wurden nach
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