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Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Bergmann
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aufstöbert?“ erkundigte sich Elena mit vollem Mund.
    „Sehr sicher. Jedenfalls für ein, zwei Tage. Ein Pensionistenehepaar sieht hier nach dem Rechten. Aber immer erst am Freitag.“
    Vanetti konnte nicht länger an sich halten.
    „Und das verrät dir alles dein kluges Kästchen hier? Vielleicht auch ihre Schuhgröße?“
    „Das ist durchaus möglich“, erwiderte der Amerikaner mild, „wenn sie zum Beispiel einmal einen Orthopäden aufgesucht haben ...“
    „Ich glaube es nicht“, sagte Vanetti. „Wie könnt ihr alle diese Daten verknüpfen?“
    „Das ist nur eine Frage der Speicher- und Rechenleistung – und natürlich einer intelligenten Suchstruktur. In unser System fließt alles ein. Satellitenaufnahmen ebenso wie Daten der Sozialversicherung, abgehörte Telefonate, E-Mails, Melderegister, Kreditkartenabrechnungen, Grundbuchsdaten ... Wenn du das richtig zusammen fügst, erhältst du gläserne Landschaften mit gläsernen Häusern und gläsernen Bewohnern.“
    „Das meine ich nicht“, blieb Vanetti beharrlich. „Es ist beeindruckend, aber ihr habt kein Recht dazu.“
    „Ach“, sagte Mike. „Das Recht in Zeiten des Krieges ...“
    „Wir führen keinen Krieg!“ rief der Wiener.
    „Doch“, entgegnete Donahue knapp. „Ihr wollt es nur nicht wahrhaben.“
    „Wir sollten schlafen gehen“, sagte Chiara und gähnte laut.
    „Das sollten wir“, lenkte er ein. „Wollt ihr wissen, was die österreichische Polizei von dem Bagger hält, der die Straße und ein paar Motorräder zerschmettert hat?“
    Vanetti warf ihm einen wütenden Blick zu.
    „Natürlich.“
    „Sie glauben, jemand habe versucht, ihn mit einem Schwerlasthubschrauber zu stehlen und das sei schief gegangen. Warum die Täter an diesem Ort und um diese Zeit zugeschlagen haben, ist ihnen allerdings rätselhaft.“
    Er grinste. „Ich hätte an ihrer Stelle auch keine bessere Erklärung gefunden.“
    Sie verteilten sich auf die Schafzimmer im oberen Stockwerk, die mit Holz verkleidet waren und angenehm rochen. Trotz ihrer Müdigkeit schwappte noch einmal das schlechte Gewissen über Chiara zusammen. Sie hatte das Gefühl, das Zimmer nehme ihr den Einbruch persönlich übel. Um wenigstens dieser Auseinandersetzung auszuweichen, wühlte sie sich tief unter die Daunendecken und schlief sofort ein.

67___
    Lynx besaß keinerlei Erinnerung an seine Jugend. So oft er sein Gedächtnis auch durchforschte, es setzte erst mit seinem 15. Geburtstag ein, genau ein Jahr vor dem Tag, an dem er – seines Wissens – zum ersten Mal getötet hatte. Sein Opfer war der Freund seiner Mutter gewesen. Genauer gesagt, ihr Dämon und Zuhälter, Prügler und Vergewaltiger. Bis heute verstand er nicht, dass sie nach seinem Tod um ihn trauerte, anstatt dem Unbekannten zu danken, der dem Elektriker einen seiner eigenen Schraubendreher durchs linke Auge ins Gehirn gerammt hatte. Noch die Innenseite des Hinterhauptknochens hatte eine tiefe Kerbe davon getragen.
    Ihre Trauer war echt gewesen, als sie hinter dem Sarg einherschritten, über schlecht gepflegte Wege und durch feuchtes Laub. Sie hatte ihn damit überrascht und zugleich darauf vorbereitet, dass die Gefühle der Menschen nur sehr eingeschränkt berechenbar sind.
    Er, zum Beispiel, war nicht in der Lage, Reue zu empfinden. Wenn jemand also versuchen sollte, auf seine Reue zu spekulieren, läge er völlig falsch. Er kannte sie nur als abstrakten, blutleeren Begriff, für den ihm das innere Organ fehlte. Er konnte sich verlieben, fröhlich und traurig sein, bereuen konnte er nichts. Ein Punkt, der ihm in seinem Beruf zweifellos zustattenkam.
    Lynx hatte seine Mutter nie nach den ersten 15 Jahren seines Lebens gefragt. Wo er zur Welt gekommen war, ob er seinen Vater gekannt, Freunde gehabt hatte und ähnliches. Eine eigentümliche Scheu hatte ihn stets davon abgehalten. Später lag es vielleicht an ihrer Trauer um ihren Freund, die ihn zurückhielt. Dann starb sie überraschend und er konnte nicht mehr fragen.
    Eine Zeitlang forschte er intensiv nach seinen Wurzeln, kam dabei aber kaum weiter. Seine Mutter hatte eine wilde Jugend durchlebt, war von zu Hause ausgerissen und eines Tages mit einem Kind auf dem Arm zu ihren Eltern zurückgekehrt. Der Junge – war er es gewesen? – besuchte einen Kindergarten und die üblichen Schulen, während  Mama es zuwege brachte, zwischen einfachen Jobs und einfachen Männern ein äußerst kompliziertes Leben zu führen. Mehr gab es nicht zu erfahren.
    Seine erste

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