Chicagoland Vampires 02 - Verbotene Bisse
Navarre und Cadogan trugen Medaillons; die Vampire des Hauses Grey trugen Sporttrikots.
Noah hatte eine schwarze Cargohose und ein schwarzes Thermoshirt an. Ich hatte ihn nie in anderer Kleidung gesehen. Noah war kleiner als Scott, was bei Scotts guten 1,90 Meter nicht viel zu sagen hatte, aber er machte das mit seinen breiten Schultern leicht wett. Noah verbrachte offenbar eine Menge Zeit im Kraftraum. Wo Scott wie ein Verbindungsstudent wirkte, der ein Unterlippenbärtchen zur Schau trug, wirkte Noah auf raue, wilde Art gut aussehend. Er hatte die markanten Gesichtszüge eines eigensinnigen Vampirs – braune Haare, blaue Augen, sinnliche Lippen, und sein kantiges Kinn zierte ein Dreitagebart.
Morgan trug immer noch Jeans und T-Shirt. Und sein Gesichtsausdruck hatte sich auch nicht verändert – sobald ich das Zimmer betrat, starrte er mich wütend an.
Meine Schuldgefühle ließen meine Wangen erröten. Meine Schuldgefühle und auch ein wenig Angst. Ich hatte genau das getan, was er befürchtet hatte. Ich hatte der Versuchung nachgegeben, die er mir vorgeworfen hatte. Die ich gefürchtet hatte. Und ich wäre jede Wette eingegangen, dass der Duft von Ethans Parfüm immer noch an mir haftete.
Luc und Malik standen an jeweils einem Tischende und trugen beide das für Cadogan typische Schwarz. Ethan ging mit großen Schritten um den Tisch herum und setzte sich an das Ende, hinter dem Luc stand.
Ich bewegte mich zum anderen Tischende und nickte dabei Scott und Noah kurz zu. Als Malik sich gesetzt hatte, stellte ich mich hinter ihn.
»Gentlemen«, sagte Ethan, »wie ich bereits erwähnt habe, haben wir ein Problem. Wir brauchen eine Lösung, und zwar schnell.«
Er berichtete ihnen von Nicks Drohung, dem vierundzwanzigstündigen Ultimatum und Jeffs Nachforschungen. Und dann wurde er persönlich.
»Wir haben diese ganzen Informationen sammeln können«, sagte er, »weil Merit sich bereiterklärt hat, in das Haus ihres Vaters zurückzukehren und in unserem Namen die Beziehungen ihrer Familie zu nutzen.« Das richtete er an die gesamte Gruppe, doch sein Blick ruhte auf Morgan.
Ich schloss die Augen, denn ich war plötzlich erschöpft. Wegen Ethan Sullivan.
Er versuchte mich zu entlasten. Er versuchte es, selbst nach dem, was gerade in der Bibliothek geschehen war, versuchte mir eine Ausrede zu verschaffen, um wieder Gefallen an Morgan zu finden. Um Morgan zu erklären, dass das, was nach ungebührlichem Verhalten ausgesehen hatte – dass ich in gesellschaftlicher Funktion an Ethans Arm auf der Party erschienen war –, in Wirklichkeit eine Pflicht gewesen war, die ich ihm geschuldet hatte. Eine rein platonische Pflicht.
Es war sicher rücksichtsvoll von ihm – der Versuch, den Riss zu kitten, den er durch meine erzwungene Anwesenheit im Haus meines Vaters verursacht hatte.
Allerdings stank er nach Feigheit. Er wollte mich, das war klar, und es war nicht das erste Mal, dass er sein Interesse deutlich gemacht hatte. Aber er reichte mich immer wieder an Morgan zurück. Er bemühte sich immer wieder, mich und Morgan zusammenzuhalten. Das deutete auf ein emotionales Chaos hin, von dem ich wusste, dass ich mich niemals trauen würde, es zu ergründen.
Doch ich hatte ihn geküsst. Ich hatte es in seinen Augen gesehen – die Begierde, den Triumph –, dass er sein Ziel erreicht hatte. Vielleicht hatte Lindsey ja recht, dass unter der kühlen, ruhigen, gefasst wirkenden Oberfläche ein ganz anderer Vampir schlummerte. Aber was für ein Risiko …
Ich hatte mich in meinen Gedanken verloren, und als mich plötzlich der Klang meines Namens aus ihnen riss, merkte ich, dass ich gerade dabei war, meine Finger an meine Lippen zu führen, die seine eben noch berührt hatten. Als Ablenkungsmanöver tippte ich mir auf das Kinn und hoffte, dass es intellektuell wirkte.
»Ja?«, fragte ich Ethan und spürte alle Augen auf mir. Der Zorn in Morgans Blick hatte sich ein wenig gelegt, aber er wirkte immer noch misstrauisch.
»Hast du meiner Zusammenfassung etwas hinzuzufügen?«, fragte Ethan. »Vielleicht der Drohung, die in der E-Mail ausgesprochen wurde?«
Ich nickte brav. »Sie ist ziemlich blutrünstig«, sagte ich. »Verschiedene Arten von Gewalt werden aufgezählt, einige neuartig, andere vom alten Schlag. Aber ich habe nicht aus der E-Mail herauslesen können, ob es sich um eine bestimmte Person oder gar einen Vampir handelt, der die Gewalt anwenden will.«
Ethan musterte die anwesenden Vampiranführer. »Hat jemand von
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