Chicagoland Vampires 02 - Verbotene Bisse
einer Zeit geboren wurden, als das noch mehr zu bedeuten hatte als heute. Als es nicht um Aussehen ging, sondern um das Wesentliche. Als Menschen noch …«
Es war deutlich, dass er sich um eine höfliche Ausdruckweise bemühte, wo ich doch erst vor Kurzem und auf so brisante Art verwandelt worden war. Was er zu sagen versuchte, ließ sich in einem Wort zusammenfassen. »Essen«, führte ich seinen Gedanken fort. »Als sie für uns noch Essen waren.«
»Und sonst nicht viel. Von der Politik mal abgesehen« – störte es mich eigentlich, dass die Vorstellung von Menschen als reinem Schlachtvieh für Ethan reine »Politik« war? – »die anderen Mitglieder könnten einfach verzaubert worden sein, ohne dass sie die geringste Ahnung davon hätten. Solch große Macht hat Celina.«
Da ich ihre Fähigkeit, andere zu verzaubern, bereits am eigenen Leib erfahren hatte und wusste, wie ihre Gedanken in den Geist eines anderen eindringen und ihn manipulieren konnten, verstand ich, was er mir sagen wollte. Ich hatte ihr widerstehen können, aber diese Fähigkeit besaß offensichtlich nur ich. Eine merkwürdige Eigenart meines Daseins.
»Wie wir damals besprochen hatten, erwartete ich, dass Celina für ihre Verbrechen eingesperrt werden würde. Diese Vereinbarung hatte dein Großvater zwischen Tate, dem Bezirksstaatsanwalt und dem Greenwich Presidium aushandeln können, denn das Presidium möchte natürlich eine neue Säuberung verhindern. Mir war zwar klar, dass sie eine erstklassige Behandlung erhalten würde, dennoch ging ich davon aus, dass sie ihr Haus verliert, was geschehen ist, und dass sie in London eingesperrt bleibt.« Er schüttelte den Kopf und schloss dann, sichtlich erschöpft, die Augen. »Zumindest wissen die Menschen noch nichts von ihrer Freilassung. Noch nicht.«
Ob die Menschen es nun herausfanden oder nicht: Celinas Freilassung würde Bürgermeister Tate und alle Beteiligten in Chicago, die mit ihrer Aussage die Gerechtigkeit ihrer Ausweisung bezeugt hatten, wie Lügner aussehen lassen, einschließlich Ethan und meines Großvaters.
Du meine Güte! Und ich hatte gedacht, die Beziehungen zum Büro des Ombudsmanns wären früher schon kompliziert gewesen.
»Wie konnten sie nur so was politisch Dummes tun?« Ich sprach meinen Gedanken laut aus.
Ethan lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Fingerspitzen vor seiner Brust zusammen.
»Die Mitglieder des Greenwich Presidium sind bei solchen Angelegenheiten ziemlich geteilter Meinung«, sagte er. »Viele schreiben ihr langes Leben der Tatsache zu, dass sie sich möglichst unauffällig verhalten und angepasst haben. Andere finden, dass sie sich seit Jahrhunderten verstecken mussten, und das hat sie verbittern lassen. Sie wollen ihre Freiheit zurück, und Celina bietet ihnen diese Möglichkeit. Sie hat ihnen ein Dasein unter den Menschen ermöglicht. Sie bietet ihnen eine neue Form der Herrschaft an. Außerdem – mal abgesehen von ihren Kräften: Du hast Celina kennengelernt. Du weißt, dass sie einen gewissen … Charme besitzt.«
Ich nickte. Diese dunkelhaarige Schönheit konnte niemand ignorieren. Trotzdem. Seit wann war gutes Aussehen eine Entschuldigung für unvernünftige Entscheidungen? »Okay, aber wir reden hier vom Presidium. Den stärksten Vampiren. Den Besten. Den Entscheidern. Traumkörper hin oder her, wie konnten sie nicht merken, was sie mit ihnen anstellt?«
»Sie sind stark, aber nicht notwendigerweise die Stärksten. Dem Vernehmen nach ist Amit Patel der stärkste Vampir der Welt, und er mischt sich überhaupt nicht in Politik ein. Er hat seine Mitgliedschaft im Sabha lange Jahre erfolgreich verhindert.«
Ethans Tonfall hatte sich verändert, von ängstlich hin zu bewundernd. Mit Bewunderung ging Ethan sehr sparsam um. Aber jetzt schwang eine Art Verehrung in seiner Stimme mit, die bei menschlichen Männern nur dann vorkam, wenn sie von Sporthelden wie Michael Jordan oder Babe Ruth sprachen.
»Du findest Amit Patel großartig«, sagte ich und begann zu lächeln. »Du hast eine Schwäche für ihn. Das ist fast schon süß.« Und es macht dich menschlicher, dachte ich, sprach es aber nicht laut aus, weil ich wusste, dass er es nicht als Kompliment verstünde.
Ethan verdrehte herablassend die Augen. »Du bist eigentlich viel zu jung, um so stark zu sein.« Ich verstand das nicht als Hinweis auf mein Alter, sondern als eine für Ethan typische Aussage zu meiner Reife als Vampir.
Ich schnaubte kurz, runzelte aber die Stirn aus
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