Chicagoland Vampires 02 - Verbotene Bisse
angelangt.
Mit der Schwertscheide in der Hand trabte ich ins Erdgeschoss zu Ethans Büro. Als ich vor der geschlossenen Tür stand, klopfte ich.
»Herein«, sagte er.
Ich öffnete die Tür und sah ihn an seinem Schreibtisch sitzen, die Hände gefaltet, sein Blick auf mich gerichtet. Das war etwas Neues. Normalerweise schenkte er dem Papierkram seine gesamte Aufmerksamkeit, nicht dem Vampir an der Tür.
Ich schloss die Tür hinter mir und bezog vor ihm Stellung. Meine Nerven waren aufs Äußerste angespannt.
Ethan ließ mich über eine Minute vor sich stehen, vielleicht zwei, bevor er das Wort ergriff. »So etwas spricht sich schnell herum.«
»Was?«, fragte ich.
»Merit«, fing er an, »du bist die Hüterin dieses Hauses.« Er sah mich mit erhobenen Augenbrauen erwartungsvoll an.
»Das hat man mir gesagt«, lautete mein trockener Kommentar.
»Es entspricht meiner Erwartung«, fuhr er fort, ohne darauf einzugehen, »der Erwartung dieses Hauses, dass du deine Fähigkeiten verbesserst und deine Kräfte stärkst, wenn du dazu aufgefordert wirst. Auf Befehl. Wann immer es dir befohlen wird, ob nun bei einem Trainingszweikampf oder vor deinen Kollegen.«
Er hielt inne und schien offenbar eine Antwort zu erwarten.
Ich erwiderte seinen Blick wortlos. Ich hatte einen nachlässigen Eindruck hinterlassen, zugegebenermaßen, aber wenn sie gewusst hätten, welchen Belastungen ich tatsächlich standgehalten hatte, dann würde ich darauf wetten, dass sie beeindruckt gewesen wären.
»Wir haben darüber gesprochen«, merkte er an. »Ich brauche – wir brauchen – eine funktionierende Hüterin dieses Hauses. Wir brauchen einen Soldaten, jemanden, der sich die Mühe gibt, die von ihm verlangt wird, dessen Einsatz für das Haus niemals nachlässt, dessen Bemühungen und Aufmerksamkeit niemals nachlassen. Wir brauchen eine Vampirin, die sich ihrer Aufgabe vollständig hingibt.« Er rückte einen silbernen Tacker zurecht, bis er parallel zu dem silbernen Klebefilmabroller stand, der sich neben ihm befand.
»Ich hätte erwartet, dass du dies nachvollziehen kannst, nachdem wir dir zum Thema Breckenridge, zu den Raves unser Vertrauen entgegengebracht haben. Dass ich dir keinen grundlegenden Vortrag darüber halten müsste, was deine Leistungsbereitschaft betrifft.«
Ich sah ihm in die Augen und schaffte es, ihm nicht den blauen Fleck hinzuhalten, der auf meinem linken Arm zu sehen war – nur noch schwach, aber dennoch zu sehen –, um ihm ein Zeichen meiner Leistungsbereitschaft zu liefern. Ein Zeichen meiner Fähigkeit, mich unter Kontrolle zu halten.
»Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Als ich dort vor ihm stand, in meinem schweißnassen Trainingsanzug, das verhüllte Katana in meiner Hand, kam ich zu dem Schluss, dass ich drei Möglichkeiten hatte. Ich könnte mich mit ihm streiten und ihm an den Kopf werfen, dass ich mir den Arsch aufriss (auch wenn die Beweise gegen mich sprachen), was vermutlich Fragen zur Folge hätte, die ich lieber nicht beantworten wollte. Oder ich könnte ihm reinen Wein einschenken, ihm von der halb garen Vampirin in mir erzählen und darauf warten, dass er mich dem Greenwich Presidium überstellte, das sich meiner annehmen würde.
Nein, danke. Ich entschloss mich für Möglichkeit Nummer drei.
Mit einem »Lehnsherr« nahm ich seine Zurechtweisung zur Kenntnis.
Mehr sagte ich nicht. Obwohl ich durchaus einiges zu seiner eigenen Unfähigkeit, Vertrauen zu schenken, zu sagen hatte, ließ ich ihn seine Rede halten und durfte mein eigenes Geheimnis bewahren.
Ethan sah mich sehr lange schweigend an, bevor er den Blick senkte und sich den Dokumenten auf seinem Schreibtisch widmete. Die Anspannung in meinem Nacken löste sich langsam.
»Wegtreten«, sagte er, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.
Ich fand allein den Weg nach draußen.
Als ich wieder in meinem Zimmer war, sprang ich unter die Dusche und zog Klamotten an, die ganz eindeutig nicht der Kleiderordnung Cadogans entsprachen – meine Lieblingsjeans und ein kurzärmeliges, bauchfreies rotes Top, dessen U-Ausschnitt eine Schulter freiließ. Ich hatte ein Date mit Morgan und Mallorys Ich-geh-doch-nicht-so-weit-weg-Party vor mir. Bei einem Date mit einem Vampirfreund war der blanke Hals besonders passend.
Ich trug Lipgloss, Mascara und Rouge auf, ließ meine Haare offen auf die Schultern fallen, zog rote Ballerinas mit eckigen Kappen an, schnappte mir Piepser und Schwert – Accessoires, die jede ordentliche Wache brauchte
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