Chicagoland Vampires 03 - Mitternachtsbisse
außerdem ein Gewohnheitstier«, erklärte Margot. »Was seine Macken angeht, seine Rituale. Marotten, so könnte man es nennen, die einem auf die Nerven gehen können.«
»Wie das Etikett hinten im Ausschnitt eines richtig kratzigen Pullovers«, warf Lindsey ein.
Margot zwinkerte ihr zu. »Hin und wieder treffen wir uns und nehmen uns die Zeit, wegen dieser Marotten, die uns in den Wahnsinn treiben, Dampf abzulassen. Sozusagen als therapeutische Maßnahme.«
Ich stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab und beugte mich vor. »Von welchen Marotten reden wir denn hier?«
»Der erste Punkt auf der Liste – das Hochziehen der Augenbrauen.« Sie demonstrierte es, indem sie eine ihrer sorgfältig gepflegten Augenbrauen hob und uns dann der Reihe nach ansah.
»Trinken!«, brüllte Lindsey, und wir nahmen einen Schluck.
»Ich hasse es, wenn er das macht«, sagte Michele und fuchtelte mit ihrem Glas herum. »Und er macht das andauernd.«
»Es ist so was wie das lästigste nervöse Zucken aller Zeiten«, meinte ich nur.
»Von wegen«, sagte Margot. »Er hält es für einschüchternd. Das ist die Geste eines Meistervampirs, der mit einem unbedeutenden Novizen spricht.« Es war unheimlich, wie sehr ihr herablassender, tiefer Tonfall dem des Meistervampirs glich. Vielleicht steckte auch etwas von einer Meisterin in ihr.
»Und was ist Nummer zwei?«, fragte ich.
»Das sag ich«, rief Lindsey. »Nummer zwei – wenn Ethan dich nicht mit deinem Namen, sondern mit deinem Titel anspricht.« Sie senkte das Kinn und sah mich mit halb geschlossenen Augen an.
»Hüterin«, knurrte sie. Ich prustete vor Lachen. »Du kamst mir schon immer irgendwie bekannt vor.«
»Trinken!«, brüllte Margot, und wir tranken noch einen Schluck.
Die nächsten anderthalb Stunden verbrachten wir auf ähnliche Weise – Ethan hatte, was vermutlich nicht überraschend war, ziemlich viele Macken und Marotten.
Was eine Menge Alkohol bedeutete. Jedes Mal, wenn jemand eine Macke vorstellte, die es noch nicht auf die Liste geschafft hatte, mussten wir zweimal trinken.
Da ich praktisch keine Fortschritte bei meinem »männlichen« Drink erzielte, hatte Sean Mitleid mit mir und brachte mir einen Plastikbecher mit Eiswasser.
Der Spaß, sich über den angeberischsten Vampir aller Vampire lustig zu machen, wurde nicht dadurch kleiner, dass ich keinen Alkohol trank.
Wir tranken auf jede einzelne Erwähnung von Amit Patel, auf jeden Vortrag über unsere Pflichten, auf jede Erwähnung von Bündnissen, auf jedes einfache »Herein«, wenn wir an seine Bürotür klopften. Wir tranken darauf, dass er mit seiner Uhr spielte, dass er seine Manschettenknöpfe richtete, dass er die Papiere auf seinem Tisch hin- und herschob, wenn man sich in seinem Büro meldete.
Ethan hatte so viele Marotten, dass die Hälfte des Tischs zu Limonade oder Wasser gewechselt hatte, als wir mit ihnen durch waren. Er hatte auch genügend Marotten, dass ich mich kurz entschuldigen musste. Nur deswegen entdeckte ich sie hinten in der Bar, als ich auf meinem Weg zurück zum Tisch war – Fotos, die man an die Wand geheftet hatte, Vampirfotos über Jahrzehnte hinweg, alle in der Temple Bar gemacht.
»Cool«, murmelte ich und betrachtete die riesige Fotosammlung. Es waren Afros zu sehen und Discoklamotten, Achtzigerjahre-Frisuren und Schulterpolster… und ein Bild, das in einer Ecke der kleinen Ausstellung nur halb zu sehen war.
Ich drehte das Foto an seinem Reißnagel zur Seite, um es besser sehen zu können. Der weiße Rand des Polaroids umgab einen schönen Jungen mit hohen Wangenknochen und langen blonden Haaren, die ihm ins Gesicht fielen. An seiner Seite stand ein blondes Mädchen, das ein Martiniglas in der Hand hielt und sich bei ihm untergehakt hatte.
Er sah sie … bewundernd an. Mein Magen krampfte sich zusammen.
Es waren Ethan und Lacey. Das Bild war vor einigen Jahren gemacht worden, wenn man von der Kleidung auf dem Foto ausging, aber es war dennoch ein Bild von ihnen – ein Junge und ein Mädchen, die beide glücklich waren und sich verliebt ansahen.
Ich ließ das Foto wieder an seinen Platz gleiten und verdeckte es zum Teil, doch was einmal geschehen war, ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Er hatte eindeutig etwas für sie empfunden.
Und nachdem er mit mir geschlafen hatte, hatte er sie zurückgerufen.
Ich lehnte mich an die Wand und schloss die Augen. Ich konnte ihm Liebe nicht missgönnen. Das konnte ich nicht. Nicht, wenn es das war, was sie gemeinsam
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