Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
ich irgendwann zur Meistervampirin werden würde. Das gehörte nun nicht gerade zu den Dingen, die mich mit Vorfreude erfüllten, aber immerhin würde ich dann Haus Cadogan verlassen können.
»Du freust dich darauf, weil wir dann gleichgestellt sind? In politischer Hinsicht, meine ich?«
Er warf mir einen vieldeutigen Blick zu. »Weil ich es genießen werde zuzusehen, wie du dich unter dem Druck drehst und windest.«
»Wie nett«, brummte ich.
Vor der Doppelflügeltür unter einer steinernen Dachtraufe stand eine Frau im eng sitzenden dunkelblauen Kostüm. Sie trug ihre Haare im Dutt und dazu eine Hornbrille; ein ziemlicher Widerspruch zu den beachtlichen Blockabsätzen.
War das vielleicht der Sexy-Bibliothekarin-Look?
»Mr Sullivan. Merit. Ich bin Tabitha Bentley, die persönliche Assistentin des Bürgermeisters. Der Bürgermeister erwartet Sie bereits, aber wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es noch rituelle Erfordernisse, die im Vorfeld eingehalten werden müssen?« Sie warf einen vielsagenden Blick auf die Türschwelle.
Die Altweibergeschichte besagte, dass Vampire nicht fähig waren, ein Haus durch die Tür zu betreten, wenn sie nicht persönlich hineingebeten wurden. Wie die meisten Mythen um die Blutsauger dieser Welt hatte diese Regel allerdings weniger mit Magie, sondern vielmehr mit Etikette zu tun. Vampire liebten Regeln – was sie trinken, wo sie stehen durften, wie sie ranghöhere Vampire anzusprechen hatten und so weiter.
»Wir wären dankbar für eine ausdrückliche Einladung in das Haus des Bürgermeisters«, sagte Ethan, ohne die Gründe näher auszuführen.
Sie nickte kurz. »Ich bin dazu autorisiert und darf Sie und Merit hiermit nach Creeley Creek einladen.«
Ethan lächelte höflich. »Wir danken Ihnen für Ihre Gastfreundschaft und nehmen Ihre Einladung an.«
Da den Gepflogenheiten Genüge getan war, öffnete Ms Bentley die Tür und wartete, bis wir das Vorzimmer betreten hatten.
Ich war nicht zum ersten Mal in diesem Herrenhaus. Mein Vater (der sehr wohlhabend war) und Tate (der sehr gut vernetzt war) kannten sich, und mein Vater hatte mich gelegentlich nach Creeley Creek geschleift, um an einer Benefizveranstaltung teilzunehmen. Ich sah mich um und kam zu dem Schluss, dass es sich seit meinem letzten Besuch nicht sehr verändert hatte. Der Boden bestand aus glänzend poliertem Stein, die Wände waren mit waagerechten dunklen Holzbohlen verkleidet. Im Haus war es stets kühl, und es wäre auch sehr dunkel gewesen, wenn nicht zahlreiche Wandleuchter das Vorzimmer erhellt hätten.
Der Duft von Vanilleplätzchen lag in der Luft. Diese Duftnote – frische Zitronen und Zucker – erinnerte mich an Tate. Es war derselbe Geruch, den ich bei unserem letzten Treffen bemerkt hatte. Vielleicht war das seine Lieblingsnascherei, und das Personal von Creeley Creek entsprach damit einfach seinen Wünschen.
Aber den Mann, der uns im Vorzimmer begegnete, hatte ich hier nicht zu sehen erwartet. In einem tadellos geschnittenen schwarzen Anzug kam mein Vater auf uns zu. Kein Handschlag, keine Geste der Begrüßung; diese Art der Arroganz war typisch für Joshua Merit.
»Ethan, Merit.«
»Joshua«, erwiderte Ethan und nickte. »Sie treffen sich wohl mit dem Bürgermeister?«
»Ich habe schon mit ihm gesprochen«, sagte mein Vater. »Ich hoffe, es geht euch beiden gut?«
So traurig das klingt, ich war überrascht, dass er das einer Erwähnung wert fand. »Uns geht es gut«, antwortete ich. »Was führt dich hierher?«
»Wirtschaftsfragen«, sagte mein Vater. Er war Mitglied des Chicagoer Entwicklungsgremiums, einer Gruppe, die neue Unternehmen in die Stadt bringen sollte.
»Ich habe mich auch für euer Haus eingesetzt«, fügte er hinzu, »und für die Fortschritte, die ihr bei den übernatürlichen Gruppierungen der Stadt gemacht habt. Dein Großvater hält mich auf dem Laufenden.«
»Das war sehr … großmütig von Ihnen«, sagte Ethan, dessen Verwirrung der meinen entsprach.
Mein Vater lächelte freundlich und sah dann zu Tabitha hinüber. »Ich sehe, dass ihr auf dem Weg zu einem Termin seid. Ich möchte euch nicht weiter aufhalten. Schön, euch zu sehen.«
Tabithas Absätze klapperten auf dem Boden, als sie zielstrebig tiefer in das Herrenhaus hineinging. »Bitte folgen Sie mir«, rief sie uns zu.
Ethan und ich tauschten Blicke aus.
»Was war das denn gerade?«, fragte ich ihn leise.
»Vielleicht hat sich dein Vater plötzlich aus ungeklärten Gründen in einen freundlichen
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