Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
würde ihnen einen Bärendienst erweisen, wenn ich dich einfach eigenmächtig ins Vertrauen zöge. Nicht, solange sie sich dafür entscheiden, dir gewisse Dinge vorzuenthalten.«
Sein Blick lag auf mir. Berechnend. Abschätzend. Lange. Doch dann nickte er. »So sei es«, sagte er.
Seine Kapitulation war ein Sieg für mich als Hüterin, aber ich hatte dennoch das Gefühl, etwas verloren zu haben – als ob ich ein besonderes Band zwischen uns durchtrennt hätte. Ich hatte der Hüterin des Hauses den Vorrang vor einem Freund und Vertrauten eingeräumt.
Ich hatte ihm dasselbe angetan, wofür ich ihn getadelt hatte.
Ethan stand auf und knüllte das Zellophan zusammen. Er ging um mich herum, trat auf den Fußweg und blieb kurz stehen. Er sah zu mir zurück. »Es ist ein schwieriges Unterfangen, die eigenen Bedürfnisse hinter die anderer zurückzustellen, nicht wahr?«
Der Vorwurf meiner eigenen Scheinheiligkeit war mehr, als ich gerade ertragen konnte. Ich wich seinem Blick aus.
Als ich wieder auf den Weg sah, war er verschwunden. Meine Stimmung hatte sich nicht gebessert, als ich den ersten Stock erreichte. Mir brummte wieder der Schädel, diesmal aber aus anderen Gründen. Ich stellte die Schachtel mit dem Mallocakes zurück in die Küche und ging in mein Zimmer. Mein Hand lag schon auf der Klinke, als ich hinter mir eine Stimme hörte.
»Er ist nicht so gefühlskalt, wie er vielleicht wirkt, weißt du.«
Ich drehte mich um. Charlie, Darius’ persönlicher Assistent, stand mit verschränkten Armen vor mir auf dem Flur.
»Wie bitte?«, fragte ich.
Er deutete auf meine Tür. »Können wir vielleicht drinnen weitersprechen?«
»Äh, sicher«, sagte ich und öffnete meine Zimmertür. Ich folgte ihm hinein und schloss die Tür hinter uns.
Er setzte sich auf den Bettrand und legte seine gefalteten Hände in den Schoß. »Darius lebt nur für die Häuser, und wenn sie Probleme haben, so ist es für ihn unbedeutend, ob sie in den USA oder in Großbritannien stehen. Allerdings gibt es eine kleine Komplikation«, sagte Charlie und blickte zu Boden, »und das ist die Tatsache, dass er fest an Hierarchien glaubt. Die Meister sollten Herren über die Häuser sein. Probleme außerhalb des Einflussbereichs der Häuser liegen in der Verantwortung des GP , und nur des GP .«
Ich schätzte Charlies Offenheit, aber ich hatte wenig Zweifel daran, wem seine Treue galt. »Das mag sein, aber das GP hat keinerlei Maßnahmen ergriffen, Celina unter Kontrolle zu halten oder für Frieden in Chicago zu sorgen. Wir kümmern uns darum, dass diese Stadt nicht auseinanderbricht, und wir müssen uns ihrer Angriffe erwehren.«
Charlie schüttelte den Kopf. »Bist du schon mal auf den Gedanken gekommen, dass du ihr direkt in die Hände spielst? Wenn du Celina und ihre Vorhaben in das Licht der Öffentlichkeit zerrst, statt ihre Eskapaden zu ignorieren, verschaffst du ihr nicht genau das, was sie schon immer wollte?«
»Und was soll das sein?«
»Aufmerksamkeit. Die Häuser beachten sie, das GP , die Menschen, die Presse. Celina will gesehen und gehört werden. Sie hat als Meisterin noch nicht ausreichend Aufmerksamkeit erregen können, also hat sie dieses Netzwerk sabotiert, um es gegen etwas anderes auszutauschen – das Interesse der Menschen. Und als sie merkte, dass ihr die Menschen nicht alle vorbehaltlos zu Füßen lagen, hat sie sich eine neue Taktik zugelegt. Jedes Mal, wenn du dich ihr stellst, jedes Mal, wenn du dich gegen sie wehrst, lieferst du ihr nur eine weitere Bühne für ihre Auftritte.«
»Behauptest du etwa, dass wir Celinas Übergriffe überhaupt erst möglich machen?«
Seine Antwort war ein herausfordernder Blick. Die unterschwellige Frage musste er gar nicht stellen: » Kannst du das von der Hand weisen?«
Ich lehnte mich mit verschränkten Armen mit dem Rücken an meine Tür und schüttelte den Kopf. »Diese Theorie geht von der Prämisse aus, dass Celina sich ruhig verhalten würde, wenn wir sie einfach nur ignorierten. Das stimmt einfach nicht. Jedes Mal, wenn sich die Lage in Chicago wieder beruhigt – wenn wir von ihr zum Beispiel ein Geständnis wegen der Park-Morde bekommen und sie wegschicken – , taucht sie anschließend wieder auf. Glaub mir, Charlie, sie zwingt uns zu reagieren.«
Diesmal schüttelte er den Kopf. »Es tut mir leid, Merit, aber wir sind da unterschiedlicher Meinung. Ich sehe das anders.« Er runzelte die Stirn und sah mich dann an. »Ich sage das nur ungern, denn es klingt wie eine
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