Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
zu werden. Ich hatte den Angriff mit viel Glück überstanden, aber so etwas wünschte man nicht einmal seinem schlimmsten Feind.
Zu meinem großen Bedauern schienen die Vampire um uns herum meine Auffassung nicht zu teilen.
»Mir tun alle leid, die nicht freiwillig hier sind.«
Er hielt sich den Bauch vor Lachen. »Zweifelst du daran, dass sie alle freiwillig hier sind? Zweifelst du daran, dass sie sogar Geld bezahlen würden, um hier bei uns zu sein? Lass die Menschen uns ruhig beschimpfen. Lass die Menschen uns als Monster bezeichnen. Wir sind das, was sie alle gern haben und sein würden. Wir sind stärker. Wir sind mächtiger. Wir leben ewig. «
Zustimmendes Gemurmel erhob sich aus der Menge. Ich hatte es anscheinend geschafft, von einer Anti-Vampir-Demonstration direkt in eine Pro-Vampir-Kundgebung zu geraten, und das binnen weniger Stunden.
Wisst ihr, was ich in diesem Augenblick dachte? Ich dachte, dass die Leute endlich mal anfangen sollten, sich von ihren Vorurteilen zu lösen und ihren Verstand zu benutzen. Sie sollten endlich aufhören, sich ins Schema von Pro und Kontra pressen zu wollen. Es gab Vampire, die ihre Probleme hatten, wie der Typ hier zum Beispiel, und ebenso gab es Menschen in Chicago – von denen einige in Ämter gewählt worden waren – , die nicht gerade als Vorbilder herhalten konnten.
»Schluss jetzt«, sagte ich. »Schluss mit dem Gerede! Dieses Mädchen ist nicht in der Lage, ihre Zustimmung zu geben. Ich werde sie jetzt wegbringen.« Ich ballte meine Hände zu Fäusten und bereitete mich auf den Kampf vor. Unauffällig drückte ich meine Wade gegen die Innenseite meines Stiefels, um die verräterische Beule des dort verborgenen Dolchs zu spüren.
Doch der Vampir akzeptierte meine Sicht der Lage nicht, und er hatte eindeutig keine Angst vor mir. »Du bist nicht mein Meister, Kind. Such dir was anderes, womit du dich beschäftigen kannst! Such dir einen hübschen Jungen, den du beißen kannst!«
»Ich lasse sie nicht hier.«
Er kniff die Augen zusammen, und ich spürte, wie er mich zu verzaubern versuchte. Ich spürte, wie er mir Angst und Sorgen aufzudrängen versuchte und mir befahl, einen Platz auf dem Boden für uns zu suchen, wo ich mich ihm ungeachtet der Umstände willig hingeben würde.
Aber ich begegnete seinem Blick und überwand das Schwindelgefühl. Ich richtete mich auf und sah ihn fragend an. »Hast du da gerade was versucht?«
Er legte den Kopf zur Seite und wirkte nun neugierig. Ich widerstand dem Bedürfnis, mich zu verstecken, um seinem faszinierten Blick auszuweichen. Solange ich das Ziel war – und nicht das Mädchen – , würde ich das schon aushalten.
»Du bist … interessant.«
Ich hätte am liebsten die Augen verdreht, aber dann wurde mir klar, welche Gelegenheit er mir dadurch verschafft hatte. Ich sah ihn aufreizend an. »Möchtest du herausfinden, wie interessant ich wirklich bin?« Wie ein koketter Teenager spielte ich mit dem Ende meines Pferdeschwanzes, warf ihn über meine Schulter und entblößte meinen Hals.
Das war zwar keine besonders geschickt gestellte Falle, aber sie funktionierte dennoch. Er senkte seinen Blick, betrachtete mich gierig und pirschte sich an mich heran wie ein jagender Löwe. Ich hatte das schon einmal bei einem Vampir erlebt –Ethan auf der Höhe seines Könnens, dessen verlangender Blick mich an ihn band. Aber das hier war kein Verlangen. Es ging nicht um Liebe oder eine Verbindung zweier Menschen, sondern nur um Kontrolle. Um sein Ego. Seinen Sieg.
Ich erwiderte seinen Blick, auch wenn seine ungehemmte Gier mir eine Gänsehaut verursachte. Er würde nur zu gern von mir trinken, ebenso wie von ihr, aber er würde nicht aufhören, bis nicht der letzte Tropfen aus meinen oder ihren Adern gesaugt wäre. Vielleicht lag es an der Magie in der Luft, die ihn an den Rand des Abgrunds brachte, vielleicht waren es auch seine ureigenen Raubtierinstinkte. Aus welchem Grund auch immer – ich wollte nichts damit zu tun haben.
In einer fließenden Bewegung, die Catcher mit Stolz erfüllt hätte, zog ich mit einer Hand den Dolch aus seiner Scheide. Ich hielt ihn hoch in die Luft, und das Licht brach sich schillernd auf der Klinge. Der Stahl verursachte ein beruhigendes Kribbeln in meiner Handfläche, und ich schloss meine Finger fest um den Griff.
Dem Vampir schien endlich klar zu werden, dass ich es ernst meinte. Seine Miene verfinsterte sich.
Mit dem Dolch in der Hand sah ich auf das Mädchen hinab. »Kannst du
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