Chicagoland Vampires
nun mal gab oder nicht.
Doch was sollte ich Darius sagen? Dass es immer noch eine Verbindung zwischen Ethan und Mallory gab? Dass sie in der Lage war, ihn in die Knie zu zwingen und ihm unvorstellbare Schmerzen zu bereiten?
Dass der Meister eines der zwölf Vampirhäuser unseres Landes – des viertältesten Hauses – einer Hexe auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert war?
Mein Herz raste, aber ich zwang mich, seinem Blick zu begegnen, mich meiner Furcht zu stellen und die Worte auszusprechen, die gesagt werden mussten, auch wenn sie nicht die reine Wahrheit waren.
»Ethan Sullivan ist der Mann, der er schon immer war. Vielleicht ist er nach diesen Erfahrungen sogar ein besserer Mann.«
»Eine strategisch formulierte Antwort. Ich billige Beziehungen zwischen Meistern und Novizen nicht. Ich habe es nicht gutgeheißen, als Lacey und Ethan ein Verhältnis hatten, und ich werde es auch jetzt nicht gutheißen. Ich halte solche Beziehungen im Grunde genommen für inzestuös. Dennoch bist du seine Vertraute. Er hört auf dich, Merit. Geleite ihn auf den rechten Weg, Hüterin. Geleite ihn auf den rechten Weg … oder es wird für ihn und seine Zukunft nach dem heutigen Abend wesentlich finsterer aussehen. Ich werde mich jetzt mit den Meistern treffen. Dieses Gespräch wird dabei keine Erwähnung finden.«
Damit ging er an mir vorbei und kletterte durch das Dachgaubenfenster.
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Ich blieb eine Zeit lang auf dem Dach, wo die Welt dunkel und ruhig war. Eine kalte Brise umfing mich, und dann begann es leicht zu regnen. Das Herz war mir schwerer als vor unserem Gespräch. Schließlich kletterte ich wieder hinein und schloss das Fenster.
Es würde eine lange Nacht werden.
Ich hatte gerade meine Zimmertür geöffnet, als Margot mir mit besorgter Miene auf dem Flur entgegengelaufen kam. Sie trug noch ihre Arbeitskleidung, auf der sich grüne Gemüseflecken abzeichneten, und ein leuchtendes Tuch bedeckte ihre Haare. Was immer sie in den zweiten Stock gebracht hatte, hatte sie sehr plötzlich aufbrechen lassen.
»Was ist los?«
»Ethan und Malik sind gerade im Gespräch mit Darius, aber es ist jemand gekommen. Du musst sofort nach unten gehen.«
»Wer ist es denn?«
»Ich … bin mir nicht ganz sicher.«
Ohne auf meine Antwort zu warten, drehte sie sich um und ging zur Treppe. Ich folgte ihr und war so panisch, dass die Strecke mir doppelt so lang wie sonst vorkam. War das nicht immer so? Vielleicht war es die Vorahnung, die die Sekunden langsamer verstreichen ließ, ähnlich wie eine Reise zu einem exotischen Ziel doppelt so lang zu dauern schien wie die Rückfahrt.
Wir liefen die Treppe hinunter und sahen, dass sich zwischen Treppe und Vordertür ein schützender Kordon aus Vampiren gebildet hatte. Sie machten mir Platz, und als ich zwischen sie trat, sah ich eine dunkelhaarige Gestalt im Türrahmen stehen und war entsetzt.
»Siehst du?«, flüsterte Margot.
Ich nickte und war so durcheinander, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte.
»Hallo, Ballerina«, sagte er. Ich zog mein Katana blank.
KAPITEL SECHZEHN
MAN NIMMT DIE DINGE, WIE SIE KOMMEN
Er sah müde aus. Groß gewachsen, gut aussehend und erschöpft. Und er hatte seinen Armani-Anzug gegen eine lange schwarze Soutane getauscht, einen Priesterrock. Er war einer der Tates, das war sicher. Aber ich wusste nicht, ob es sich um Dominik oder Seth handelte, oder was Seth überhaupt war. Ich würde ganz sicher kein Risiko eingehen.
»Könnten wir uns kurz unterhalten?«, fragte er, seinen Blick auf mich gerichtet.
Lindsey und Juliet traten mit gezückten Schwertern an meine Seite.
»Du hast drei Sekunden Zeit, dich umzudrehen und das Haus wieder zu verlassen, oder du lernst das spitze Ende meines Schwerts kennen«, sagte Lindsey
»Warte«, sagte ich und hob eine Hand.
Schuldgefühle und Scham zeichneten sich auf Tates Gesicht ab. Und Schuldgefühle gehörten definitiv nicht zu Dominiks Emotionsrepertoire.
»Wer bist du?«, fragte ich.
»Ich bin Seth Tate«, sagte er. »Der frühere Bürgermeister. Ein Engel, in euren Worten.«
Schweigen senkte sich auf die Eingangshalle.
Ich war verblüfft und verwirrt … und dann fassungslos. Wenn Dominik im Grunde ein Dämon war, wie konnte Seth dann ein Engel sein? Sie hatten sich aus derselben Person gelöst – aus Seth, als dieser das Maleficium berührte.
Wie war es möglich, dass das Leben noch komplizierter wurde?
»Du bist ein Himmelsbote?«, fragte ich.
Er
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