Chicagoland Vampires
ich.
Lindsey nickte und sah sich dann in der Eingangshalle um. »Okay, Leute, die Party ist vorbei. Zurück an die Arbeit.«
Doch niemand bewegte sich. Entweder waren sie alle zu neugierig, oder sie machten sich zu große Sorgen, als dass sie sich einfach umdrehen und weggehen konnten.
»Ich drücke es ein wenig anders aus«, sagte Lindsey in einem deutlich entschlosseneren Tonfall. »Geht wieder an die Arbeit, bevor Darius die Magie spürt, hierherkommt, den da in der Eingangshalle herumlungern sieht und einen Herzinfarkt bekommt.«
Es dauerte einen weiteren Augenblick – sie schienen eindeutig unwillig, Seth mit uns beziehungsweise mich mit ihm hier allein zu lassen –, aber schließlich kam doch Bewegung in die Menge, und sie marschierten einer nach dem anderen den Flur entlang und die Treppe hinauf.
Am Ende waren nur noch Lindsey, Juliet, Seth und ich in der Eingangshalle.
Lindsey deutete auf Seth. »Du folgst mir. Eine falsche Bewegung, und du spürst Stahl an Stellen, von denen du nicht mal weißt.«
»Ich werde es mir merken«, sagte Seth.
Sie sah mich und Juliet an. »Ihr habt es gehört. Irgendeine Dummheit, und ihr habt seine Erlaubnis, ihn wie ein Hühnchen aufzuspießen.«
Ich hätte gerne gelacht, aber das schien nicht der richtige Zeitpunkt zu sein. »Ich bilde die Nachhut«, sagte ich zu ihr und sah dann Juliet an. »Kannst du Ethan holen?«
Juliet nickte ernst und verschwand, während Lindsey sich zur Treppe aufmachte. Seth folgte ihr, mit fromm gefalteten Händen, geradezu unterwürfig. Der grobe Stoff seiner Soutane raschelte beim Gehen. Es klang nicht gerade bequem. Ich stellte mir steifes, gestärktes Gewebe vor, das über nackte Haut rieb, und der Gedanke ließ es mir kalt den Rücken hinunterlaufen.
Hatte er mit einem Mal zum Glauben gefunden? Fühlte er sich schuldig dafür, was er oder Dominik angerichtet hatten? War dieser Priesterrock und dessen grober Stoff eine Art persönlicher Bestrafung?
Wir erreichten den Treppenabsatz im ersten Stock. Lindsey öffnete die Doppelflügeltür, die in den Festsaal Cadogans führte, und beäugte uns misstrauisch, während wir den Raum betraten. Als wir einige Meter hineingegangen waren, schloss sie die Tür hinter uns wieder.
Es war ein geräumiger Saal, mit Eichenholzboden und goldenen Wänden, an denen riesige Spiegel in vergoldeten Rahmen angebracht waren. Kronleuchter hingen von der Decke herab. Früher hatten Hunderte Kerzen den Raum erhellt, aber man hatte sie nach einem Angriff rebellischer Formwandler gegen Glühbirnen ausgetauscht. Zwar verbreiteten die Glühbirnen lange nicht eine solche Atmosphäre, aber es schien eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme für ein Gebäude und seine Bewohner zu sein, die einst von Menschen mit brennenden Fackeln aufgesucht wurden.
Seth ging weiter in den Raum hinein. Er blieb unter einem Kronleuchter stehen und drehte sich in einem Halbkreis, während er zu ihm hinaufsah.
»Dies ist wirklich ein wunderschöner Raum«, sagte er annerkennend.
»Freut mich, dass er dir gefällt«, sagte Lindsey. »Fang an zu reden.«
Seth sah zu mir hinüber, und ich nickte. Er begann zu reden, aber es war weniger ein Gespräch als ein Monolog. Eine Predigt.
»Vor Tausenden von Jahren war die Welt noch ein anderer Ort. Die Unterschiede zwischen den Menschen und den anderen waren … nicht so bedeutsam. Die Menschen wussten von den Übernatürlichen. Wir, die Himmelsboten, überbrückten die Kluft zwischen ihnen. Boten wie ich bemühten sich um Frieden. Boten wie Dominik sorgten für Gerechtigkeit. Zuerst nannten die Menschen uns Engel und sie hielten uns für rechtschaffen.«
»Was ist geschehen?«, fragte ich.
»Die Engel der Gerechtigkeit, die anderen , begannen die Gewalt zu genießen«, sagte Seth. »Sie befriedigten ihre Gier danach, ihren Drang, sie anzuwenden, und das beim kleinsten vermeintlichen Vergehen. Die Menschen, die dieser Gier immer öfter zum Opfer fielen, hatten dafür kein Verständnis. Sie nannten sie die Dunklen und hielten sie für gefallene Engel. Dämonisch. Teuflisch. Den Ursprung des Bösen.«
»Und dadurch begannen die Menschen zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.«
Seth betrachtete mich nachdenklich. »Du hast dich an unser Gespräch während meiner Haft erinnert.«
Ich nickte.
»Die Menschen wollten der Gewalt ein Ende setzen, doch die Gefallenen waren arrogant und weigerten sich zu glauben, dass ihre Handlungen falsch waren. Und so brach der Krieg zwischen Menschen und
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