Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
all dem Horror, eine gekünstelt lächelnde barbusige Wasserstoffblonde, die ihre beiden Vorzüge für die Kamera hochhielt.
„Kommissar Hattinger, ich weiß nicht, ob Sie alle kennen hier ...“, hob der Staatsanwalt an und stellte ihm mehrere Bürgermeister und Tourismusorganisatoren von Gemeinden rund um den Chiemsee vor, „... die Herren machen sich große Sorgen!“
In der nächsten halben Stunde musste sich Hattinger diese Sorgen anhören: Viele Touristen, darunter gar Stammgäste, seien Hals über Kopf abgereist, stündlich würden Buchungen storniert, die Leute hätten Angst, dramatische Umsatzeinbrüche seien zu verzeichnen. So könne es auf gar keinen Fall weitergehen! Ob er denn überhaupt den Fall noch im Griff habe und mit welchen Horrormeldungen man denn sonst noch zu rechnen habe, und ob man denn jetzt nicht langsam das Bundeskriminalamt, die GSG 9 oder die Bundeswehr einsetzen müsse?
Hattinger versuchte geduldig und freundlich zu bleiben. Er versicherte den Herren, dass er großes Verständnis für ihre Sorgen habe und dass die Aufklärung des Falles ganz aktuell frischen Schwung bekomme, was er allerdings nur mit dem Herrn Staatsanwalt im Detail besprechen könne. Dann gab er ihnen noch ein gewichtiges Argument mit auf den Weg, um ihre Gäste zu beruhigen, das ihm selbst gerade erst eingefallen war:
„Sie können jedem, der Angst hat, sagen, dass der Mord ja schon vor über zwei Monaten verübt worden is, und ned jetzt an Ostern.“
Das schien sie tatsächlich für den Moment einigermaßen zu besänftigen.
Nachdem der Staatsanwalt die Herren verabschiedet hatte, berichtete Hattinger ihm von der neuen Entwicklung. Staatsanwalt Reißberger war ein besonnener Mann. Er versprach, den Kommissar sofort bei der Beschaffung der Prozessakten zu unterstützen, und war insgesamt ganz auf seiner Linie.
„Brauchen Sie noch jemand für Ihr Team?“
„Im Moment no ned. Aber wenn uns diese Sache jetzt ned entscheidend weiterbringt, dann sollt’ma uns vielleicht noch an richtigen Profiler dazuholen.“
„Wenn ich Sie noch irgendwo unterstützen kann, dann sagen Sie mir Bescheid. Es wird Zeit, dass was vorwärts geht. Der Fall lässt mich nicht gerade ruhig schlafen, muss ich gestehen ...“
Gerade hatte sich der Staatsanwalt verabschiedet, da kam Wildmann mit dem Streifenpolizisten Peter Baumann zurück aus München. Der machte einen recht mitgenommenen Eindruck. Als er den Kommissar sah, wurde er gleich wieder rot.
„Und, ham S’ was glernt?“, wollte Hattinger wissen.
„Ja, auf jeden Fall weiß ich jetzt, worüber ich gestern ... also, was das in Wirklichkeit ... Das ist ... das ... werde ich nicht vergessen, Herr Kommissar.“
„Gut. Dann melden S’ sich jetzt mal wieder bei Ihrem Chef.“
Der Polizist ging. Karl Wildmann holte seine Unterlagen heraus. „Er hat dem Dr. Keul sein Frühstück weggefuttert. Der hat nicht schlecht gestaunt. Ist ihm, glaub ich, auch noch nicht passiert.“
Hattinger lachte.
„Er hat mir aber netterweise trotzdem die toxikologischen Ergebnisse gegeben. Also: Frau Kauffmann ist betäubt worden mit Chloroform, vermutlich mit einem Wattebausch, denn sie haben Wattefasern in ihrem Mund und in der Nase gefunden. Und gestorben ist sie an einem Narkotikum, einem Barbiturat, das ihr in hoher Konzentration direkt ins Herz gespritzt wurde: Thiopental-Natrium, das ist das Natriumsalz der 5-Äthyl-5-pentyl-(2’)-thiobarbitursäure ...“
„A Narkotikum? Da schau her ...“
27
Mia und Bertl hatten ihr Eis aufgegessen. Sie saßen draußen im Freien vor der Eisdiele. Berti schnippte gekonnt den kleinen gelben Plastiklöffel in den nächsten Blumenkübel. Mia zündete sich eine Zigarette an.
„Geh gib ma ah oane“, bat Berti.
„Du hast doch gsagt, du hast aufghört?“
„Na ja, fast ... aber ab und zua, des schadt ja net. Wenn i denk wiavui i früher g’raucht hab ...“
„Wenn i dro denk, was du früher ois g’raucht hast ...“
„Sag des fei bloß ned deim Kommissar.“
„Wia kommst’n jetz da drauf? Was glaubst’n, was der früher g’raucht hat? Des war ah ned bloß a Schwarzer Krauser, oder a Drum ...“
„Echt jetz?“ Berti war überrascht. „Des glaubst ja wohl selber ned!“
„Freilich. Hat er ma doch selber ... na Schmarrn, am besten du vergisst des glei wieder. I hab jedenfalls nix gsagt ...“
„Wieso, i find des guad. Des wär doch amoi a andere Schlagzeile: Bekiffter Kommissar sucht ...“
„Jetz hör auf!“ Mia sah sich um.
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